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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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»Verschone uns mit diesen Haushaltsangelegenheiten«, sagte er. »Wozu haben wir Frau Rotraud und unseren Haushofmeister, den Vestiar, den Kellerer …« Er schnappte nach Luft und winkte ab. »Mein lieber Sohn«, sagte er jovial, »wir sollten das Frauenvolk lieber seinen Stickrahmen und Küchenangelegenheiten überlassen und den Jagdausflug ganz unter uns Männern genießen.«
    Erno nickte eifrig – er nickte immer eifrig, wenn der Markgraf etwas sagte – und kurze Zeit später lief das Gespräch wieder wie ein murmelnder Bach an dem Stein vorbei, auf dem Vanandel saß.

    Vanandel ließ sich nun häufiger bei Groszbarrt in der Wachstube blicken, und sie hatte den Eindruck, dass der Ork sich darüber freute. Gelegentlich wurde er sogar regelrecht gesprächig und erzählte von dem Ort in den Hochlandebenen, an dem sein Rudel lebte. Orks waren Jäger und geschickte Handwerker, die Rudel zogen unstet durch die Östlichen Marschen und die endlosen Wälder des Nordens, sie durchwanderten das Totengebirge – wobei sie meist einen großen Bogen um die Siedlungen und Burgen der Zwerge machten – und schlugen ihre Zelte sogar in der tödlichen Ödnis der Schwarzen Wüste auf. Nur wenige wurden jemals sesshaft, und Vanandel verstand, dass solche Orks als verdächtig, wenn nicht gar verräterisch galten, als ehrlose Gesellen, die ihren Rang im Rudel und damit ihr Gesicht für immer verloren hatten.
    Was mochte Groszbarrt bewogen haben, sein Rudel zu verlassen? Vanandel stand im Hof und wartete darauf, dass der grobknochige Wächter, der sich gerade einen Anpfiff wegen seiner unordentlichen Uniform abholte, mit eingezogenem Kopf und hängenden Ohren an ihr vorbeischlich und sie die Wachstube betreten konnte. Sie studierte Groszbarrts ruhiges, schmales Hundegesicht, während er den Ork maßregelte. Dass man ihn hier Rudelführer nannte, musste ihm wie der blanke Hohn erscheinen, dachte sie. Er war einer der Ehrlosen ohne Rang und Namen, Anführer einer Horde von ebenfalls Ausgestoßenen.
    Sie fragte sich, wie er sich fühlen mochte. Sein Gesicht erschien oft melancholisch oder traurig, aber das musste nichts bedeuten. Weil sie sich oft in der Wachstube aufhielt, hatte sie Muße gehabt, die Orks der Wache bei ihrer täglichen Routine zu studieren, und die Wächter hatten sich so an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass sie sich verhielten, als seien sie unter ihresgleichen. Anfangs war es ihr schwergefallen, ihre Mimik zu lesen, aber je vertrauter sie mit den Gesichtern und der rauen Sprache wurde, desto mehr konnte sie aus der Haltung der Ohren, dem Zucken einer Nüster, einem Schnauben oder dem Hochziehen der Lefzen herauslesen.
    Der kuhgesichtige Ork namens Hornochs verließ mit einem schüchternen Gruß die Wachstube, und Groszbarrt winkte ihr erfreut zu.
    Â»Vanandel, das passt ja ausgezeichnet! Ich habe hier einen Brief, bei dem du mir helfen könntest.«
    Sie setzte sich an seine Seite und nahm den Briefbogen entgegen. Sie überflog ihn und runzelte die Stirn. »Das sind Zwergenrunen.«
    Â»Du kannst sie entziffern«, sagte der Ork hoffnungsvoll.
    Sie zwirbelte eine Locke und kniff die Augen zusammen. »Nein«, gab sie zu. »Ich kann hier und da ein Wort lesen, aber Zwergenrunen haben nicht zu meinem Lehrplan gehört.« Sie sah auf und grinste. »Ich werde Garness deswegen wohl rügen müssen.«
    Der Ork faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn achselzuckend weg.
    Â»Warte«, sagte Vanandel aufgeregt, »ich weiß, wer ihn dir übersetzen kann!« Sie hielt die Hand auf. »Wieso bekommst du überhaupt Briefe von Zwergen?«
    Groszbarrt zog mit einem leisen Knurren die Lefzen hoch, ein deutliches Zeichen für Verlegenheit. Er zögerte, bevor er den Brief wieder aus der Uniform zog und ihr gab. »Du wirst ihn jemandem geben, dem du vertraust«, sagte er.
    Vanandel nickte ungeduldig. »Aber ja, Groszbarrt. Ich dachte an Magister Davydds Lehrling. Und ich werde ihm nicht sagen, dass ich ihn von dir habe.«
    Der Ork wirkte erleichtert. »Der Zwerg, ich habe ihn vergessen. Ja, das ist gut. Er ist einer von uns.« Er erklärte nicht, was er damit meinte, aber Vanandel glaubte, zu verstehen. Einer ohne Heimat, einer, der von seinem Volk getrennt lebte. Für einen Zwerg war das nicht ganz so undenkbar, wie es einem Ork erschien – aber

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