Die Seele der Elben
dem Bett und sah auf ihn nieder. Als er den letzten Krümel Brot und den letzten Tropfen Suppe vertilgt hatte, nickte sie und nahm das Tablett fort.
»Wie fühlst du dich?«
»Gut«, sagte Lluis zögernd. Er horchte in sich hinein, aber da war nichts, was ihn schmerzte. Er nickte bekräftigend: »Gut.«
Caledrain nahm seine Hand und fühlte seinen Puls. »Zunge«, befahl sie, dann schaute sie in seine Augen.
»Ich habe keine Kopfverletzung finden können«, erklärte sie, während sie ihn untersuchte. »Was ist vorgefallen an diesem Abend? Du hattest eine Schlägerei, richtig?«
Lluis berichtete von dem Ãberfall durch die betrunkenen Burschen. Caledrain rümpfte die Nase.
»Du erinnerst dich an keinen Schlag auf den Kopf?«
»Ich habe ganz sicher keinen abbekommen. Eine Menge Prügel, ja. Aber nicht auf den Kopf.«
Sie nickte unzufrieden. »Das ist auch mein Eindruck. Also war es wohl doch ein Gift.« Sie nahm das Buch wieder zur Hand. »Ich muss zugeben, dass ich mich bisher nur wenig mit der Wirkung der Gifte auf Elben beschäftigt habe.« Lluigolfs entsetzte Miene lieà sie innehalten. Sie lächelte, wodurch sie sehr viel jünger aussah. »Ich habe niemandem etwas gesagt«, beruhigte sie ihn. »Allerdings bin ich neugierig â du siehst nicht aus wie ein Elbe. Hin und wieder bekommt man hier in der Residenz Angehörige deines Volkes zu sehen, aber sie wirken weniger â weniger menschlich als du.«
»Weniger gewöhnlich, wolltest du sagen«, erwiderte Lluigolf ein wenig aufsässig. Er konnte nicht sagen, warum es ihn störte, dass andere von seiner Herkunft wussten. Erst Trurre, dann sein Freund Garness, jetzt die gestrenge Caledrain. Bald konnte er einen Aushang machen: »Seht her, Lluigolf ist beinahe ein Elbe!«
Caledrain musste etwas davon in seinem Gesicht gelesen haben. Sie schüttelte sacht den Kopf. »Wenn du nicht darüber reden möchtest, dann ist das deine Sache. Aber um dich zu behandeln und um herauszufinden, womit man dich vergiftet hat â¦Â«
Lluis hob die Hand. Jetzt erst drangen ihre Worte richtig in sein Bewusstsein. »Gift?«, fragte er ungläubig. »Wer sollte mich denn vergiften wollen?«
Darauf wusste Caledrain natürlich keine Antwort, aber es schien sie auch nicht sonderlich zu interessieren. Ihre Neugier galt vor allem der Frage, welche Substanz Lluisâ Anfall ausgelöst hatte. Und ihrem Forschergeist sei dank natürlich auch, wie Elben oder Halbelben auf die gängigen Gifte und Medizinen der Menschen reagierten. Lluigolf erkannte mit einiger Unruhe, dass er sie in Zukunft kaum würde davon abhalten können, allerlei Tränke an ihm auszuprobieren.
Sie ging, damit er sich ausruhen konnte, und er lag da, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, und grübelte darüber nach, ob er sich ernstlich jemanden zum Feind gemacht hatte. Aber selbst wenn, wäre es dann nicht einfacher, ihm ein Messer zwischen die Rippen zu jagen oder ihn in einer dunklen Gasse zu erschlagen? Warum so kompliziert und dabei so unberechenbar?
Das Grübeln führte zu nichts, es sorgte nur dafür, dass er schlieÃlich ruhelos und gereizt Decken und Kissen von sich trat und aufstand. Es war mitten in der Nacht, aber er war zu aufgewühlt, um zu schlafen. AuÃerdem hatte er das Gefühl, für den Rest der Woche bereits genug geschlafen zu haben.
Im Garten sang eine Nachtigall, die Luft war süà und mild. Er atmete in tiefen Zügen und spürte, wie sich sein Verstand klärte. Wahrscheinlich hatte Caledrain mit ihrer Vermutung unrecht, vielleicht hatte er nur etwas Verdorbenes gegessen. Er erinnerte sich daran, dass sein Bruder Megin einmal am Ende des Winters beinahe gestorben wäre, weil er verdorbenes Pökelfleisch gegessen hatte.
Der Morgen dämmerte, und Lluis erhob sich von der kleinen Bank, auf der er gesessen hatte. Drinnen klapperte schon Geschirr und der Duft frisch gebackenen Brotes zog durch die Luft. Sein Magen knurrte schon wieder, das Frühstück kam ihm jetzt gerade recht.
Der Auftrag der Kröte, den er bisher erfolgreich verdrängt hatte, begann Lluigolf zu kratzen und nagte an seinem Gewissen wie ein lästiges kleines Tier.
Caledrains hartnäckige Versuche, ihn, wann immer sie ihn traf, mit widerlich schmeckenden Tränken und Tinkturen zu traktieren, brachten ihn schlieÃlich dazu, sich so oft wie
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