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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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damit seine Finger die richtigen Stellen erreichen konnten.
    Â»Lochan«, sagte Maris zärtlich. »Du warst lange fort, Freundin.«
    Es klopfte, und eine zaghafte Stimme fragte nach dem Verbleib des Bruders Schreiber. Ich stellte mit leisem Bedauern mein kaum angerührtes Glas fort und stand auf.
    Mein Gastgeber lächelte sein unbestimmtes, sanftes Lächeln: »Wenn du von der Reise nicht zu müde bist, können wir nachher noch etwas plaudern.«
    Ich nahm die Einladung von Herzen gerne an, nicht nur wegen des guten Rotweins. Nach einem Zusammentreffen mit dem Meistersänger benötigte ich immer dringend jemanden, der mir half, meinen Kopf durchzulüften und alle neun Sinne wieder zu sortieren, denn Maginhard war ein wahrer Meister im Verwirren der Sinne.
    Lochans Augen folgten mir, als ich zur Tür ging, und ich spürte ihren scharfen Blick noch zwischen meinen Schulterblättern, als ich hinter dem Jungbarden die Treppe wieder hinunterstieg.

Lerneburg, Feuermond, im zweiten Register
nach dem Großen Regen, Jahr des Luchses

    Es war spät in der Nacht, als ich erneut die Treppe des Bibliotheksturms erklomm. Im Bardenstein war Ruhe eingekehrt, die langen Gänge und Flure lagen stumm und dunkel da, sodass selbst meine leichten Schritte erstaunlich laut von den Wänden widerhallten.
    Ich hätte nach diesem langen Tag eigentlich todmüde sein müssen, aber die Reise und das nachfolgende Gespräch mit dem Meistersänger hatten mich beide gleichermaßen aufgestört und ließen nun feurige Unruhe durch meine Adern kribbeln. Zu lange hatte ich ein stilles, zurückgezogenes Leben geführt; all die Eindrücke, die heute auf mich eingestürmt waren, tollten jungen Hunden gleich durch meinen armen, schwirrenden Kopf.
    Meine müden Glieder sehnten sich nach einem Bett, aber ich wusste, dass ich keine Ruhe finden würde. Das Beste war, meinen alten Freund aufzusuchen, von dem ich wusste, dass er auch noch nicht schlief. Ich verharrte wie gewöhnlich auf dem Treppenabsatz in halber Höhe, lehnte mich in die Fensterlaibung und sah auf den dunklen Hof hinab. Ranvidar hatte das Küchendach inzwischen verlassen und war fort. Sie würde da sein, wenn ich sie brauchte, das war sie immer. In einigen Fenstern glomm noch matter Lichtschein, dort lernte wohl ein fleißiger – oder saumseliger? – Schüler für eine Prüfung oder einen Auftritt.
    Ich hätte hier sitzenbleiben und den Sonnenaufgang erwarten können, aber die Kühle des dicken Gemäuers drang unangenehm durch meine Hosen und machte mich schaudern. Oben, bei Maris, war es warm und freundlich, wenn auch ebenso finster wie hier im Gang. Ich trug aber diesmal einen Glühstein bei mir, zwei schöne Äpfel und natürlich das Buch, das ich ihm versprochen hatte.
    Seine Tür stand einen Spalt offen, und ich hörte seine Stimme, als ich die letzten Stufen bewältigte: »Ich habe dich erwartet. Willkommen zurück.«
    Ich trat ein und stolperte über einen Hocker. Fluchend entzündete ich den Glühstein und beleuchtete meinen Weg zum Tisch. Maris war nicht zu sehen, aber als ich die Äpfel und das Buch ablegte, hörte ich seine Schritte und dann leuchtete weißes Elbenhaar im matten Licht des Steines auf. »Ah, Äpfel«, sagte er erfreut. Ich lächelte und schob ihm den größeren der beiden hin. Maris liebte sie über alles, und im Garten des Ordenshauses standen zwei alte Bäume, die jeden Sommer wunderbar süße, rote Früchte trugen.
    Wir saßen beide eine Weile in einträchtigem Schweigen und kauten das saftige Obst.
    Â»Ich werde ein paar Tage hier in der Bibliothek zu tun haben«, sagte ich.
    Maris aß das Kerngehäuse und legte den Stiel des Apfels beiseite. »Kann ich dir bei deiner Arbeit helfen?«
    Â»Ich habe gehofft, dass du mich das fragst.« Grübelnd schob ich die beiden Apfelstiele über die Tischplatte. »Was weißt du über die Seelentrinker?«
    Er holte scharf Luft, meine Frage schien ihn zu überraschen. Ich sah ihn an, wie er ein wenig vom Tisch abrückte und die Arme vor der Brust verschränkte, das Gesicht so verschlossen wie seine Haltung.
    Â»Warum willst du das wissen?«, fragte er. Seine Stimme klang verhalten, als müsste er einen Grimm zügeln, dessen Ursache ich nicht erahnen konnte.
    Â»Der Meistersänger befragte mich zu meinem Wissen über dieses Thema.

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