Die Seele der Elben
gelegen hatte. Er schlug es auf und blätterte darin, während die Eule auf seiner Schulter saà und das Buch anstarrte. Als sie endlich blinzelte und den Kopf abwandte, schlug er das Buch zu und legte es beiseite. »Lochan ist müde«, sagte er.
Ich erhob mich. »Schläfst du eigentlich nie?«, fragte ich.
Maris streckte sich und stand auf. »Selten«, erwiderte er. »Gleich kommt Nigaio, dann gehe ich hinunter und schaue, was ich für dich über die Drachenkriege finde.«
Ich erwachte nicht spät am Vormittag, erfrischt von wenigen Stunden Schlaf, und lief gleich hinüber zum Bibliotheksturm, voller Neugier, was Maris für mich bereithalten würde.
Ich fand ihn in einem der mittleren Geschosse. Die Wände rundum waren bis unter die hohe Decke mit Regalen bedeckt, die unter Gebirgen aus alten Büchern und Schriftrollen ächzten. Hier und da sah ich elbische Aufzeichnungskristalle schimmern, und ich wusste, dass in den Kellern sogar ein groÃes Gewölbe mit Steintafeln aus den Totenbergen existierte. Ferun Federkiel hatte darin einmal einen ganzen Winter verbracht und sich hinterher sehr beeindruckt über die vorgefundenen Schätze zwergischer Dichtkunst geäuÃert.
Ich hatte viel Zeit in der Bibliothek des Bardensteins verbracht und war doch jedes Mal überrascht über den einen oder anderen Fund.
Maris saà an einem schweren Eichentisch, der mühelos die Last an Büchern trug, die auf ihm gestapelt lag. Er hatte die Stirn in die Hand gestützt und blickte auf einen Folianten nieder. Das Bild rührte mich zutiefst.
Als ich näher trat, blickte die zerzauste Krähe auf, die auf seiner Schulter saÃ. Ihre Augen fixierten mich starr und ein wenig misstrauisch. »Du bist früh wieder auf den Beinen, Tijan«, begrüÃte Maris mich.
Ich kletterte neben ihm auf einen Hocker, damit ich das Buch betrachten konnte, das er gerade las. Als ich die kantigen Schriftzeichen erblickte, stöhnte ich leise.
Maris schmunzelte. »Verursachen dir die Nordmann-Runen Kopfschmerzen?«
»Augenweh«, beschwerte ich mich leise. »Das ist keine Schrift, das ist eine besondere Foltermethode. Wie kannst du so etwas lesen und dabei so entspannt aussehen?«
Er reckte sich. »Diese Augen sind daran gewöhnt, Runen zu entziffern. Der Inhalt ist sehr interessant, wenn auch schrecklich umständlich formuliert.«
Ich beugte mich über das Buch, während die Krähe mich weiter mit groÃer Skepsis anblickte.
»Nigaio«, mahnte Maris leise. Der Vogel trat verlegen von einem Fuà auf den anderen und wandte den Kopf. »Danke«, sagte Maris und legte den Finger auf eine Zeile, die mit einem scheuÃlich verschnörkelten Initial begann.
»Siehst du?«
Der Abschnitt handelte von Bjartur, dem Entdecker der Lande hinter dem Wind, und seiner ersten Begegnung mit den Drachen der westlichen Inseln. Ich kannte eine Beschreibung dieser fatalen Reise Bjarturs, aber sie war ganz sicher wesentlich jünger als diese Aufzeichnung.
Maris schlug das Buch zu und schob es beiseite.
Er deutete auf den Stapel Bücher und zwei Schriftrollen, die auf dem Tisch lagen. »Die habe ich für dich herausgesucht. Wenn du darüber hinaus noch bestimmte Quellen brauchst, sag mir, was du suchst.«
Ich dankte ihm, aber für das, was der Meistersänger von mir haben wollte, war ich mit Material erst einmal überreichlich versorgt. Ich sah Maris an, der blicklos in eine unbestimmte Ferne starrte, und räusperte mich.
»Was bedrückt dich, Tijan?«
»Das Thema, über das wir gestern gesprochen haben«, druckste ich herum. Es war für ihn so offensichtlich schmerzhaft gewesen, darüber zu sprechen, dass ich nun kaum wusste, wie ich darauf zurückkommen sollte.
Die zerzauste Krähe öffnete den Schnabel und gab ein heiseres Miauen von sich, wie eine kleine Katze. Maris kraulte sie unter dem Kinn. »Du bist hungrig, Nigaio? Flieg ruhig, ich kann dich eine Weile entbehren.« Er lehnte sich zurück. »Die Seelentrinker.«
Ich ertappte mich dabei, wie ich schon wieder den Atem anhielt. Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln sagte ich: »Du hast erzählt, dass einige der Vermissten zurückkehrten.«
Maris seufzte tief. »Warum willst du dich damit beschäftigen? Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte meines Volkes. Wir sprechen nicht darüber, Tijan.«
Ich wartete
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