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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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herüber und dann ein greller Schrei.
    Die drei sahen sich an. Welche Wesen der Nacht trieben dort drüben ihr Unwesen? Céredas deutete auf eine Gruppe verkrüppelter Büsche, aus der sich einige Schatten lösten. Sie waren hochgewachsen und gingen auf zwei Beinen, bewegten sich aber seltsam fließend. Ihre Umrisse schienen sich immer wieder zu verändern. Die Gestalten wandten sich nach Norden und waren bald ihren Blicken entschwunden.
    »Was waren das für Wesen?«, fragte Tahâma schaudernd. »Sie flößen mir einen Schrecken ein, den ich nicht einmal beim Anblick eines Mordolocs fühle.«
    Sie sah zu Céredas hinüber, doch der starrte nur mit finsterer Miene zu Boden. Um seine Mundwinkel zuckte es.
    Der Erdgnom hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was dort drüben vor sich geht, irgendetwas ist aber merkwürdig.« Er kaute auf seiner Unterlippe und runzelte die Stirn, dann sah er wieder zu Tahâma hoch. »Die beiden Reisenden, die bei euch zu Gast waren, haben sie gesagt, warum sie Nazagur verlassen haben?«
    Tahâma schüttelte den Kopf.
    »Ist doch seltsam, oder? Wenn es das herrlichste Fleckchen Phantásiens ist, wie sie behaupten, das noch dazu bisher vom Nichts verschont wird und seine Grenzen nach allen Seiten ausdehnt, aus welchem Grund könnten seine Bewohner es verlassen?«
    Tahâma sah ihn verblüfft an. Wieso war ihr selbst das niemals aufgefallen?
    Der Erdgnom erhob sich und streckte seine Glieder. »Ich schlage vor, ihr schlaft noch ein paar Stunden, um Kräfte für unseren Marsch durch die Schlucht zu sammeln. Sobald es hell wird, brechen wir auf.«
    Céredas schreckte aus seinen Gedanken auf. »Wir? Und du? Willst du allein die Wache übernehmen? Das kann ich nicht zulassen. Auch du hast einen weiten Weg vor dir und musst dich ausruhen. Schließlich sind deine Beine auch noch viel kürzer als unsere.«
    Wurgluck kicherte und machte sich auf den Weg zur Felssenke. »Ah, da habe ich die Ehre des Jägers getroffen. Aber ärgere dich nicht, junger Freund. Ich habe schon mehr Jahre in Ruhe und Schlaf verbracht, als du überhaupt auf der Welt bist, daher nehme ich an, dass es mir noch für eine ganze Weile genügen wird.« Verschmitzt sah er Céredas an, der noch immer aufgebracht schien. »Falls mir meine Beine ihren Dienst versagen, werde ich wieder in deinem Bündel Platz nehmen und mich von dir tragen lassen – aber nur, wenn es gar nicht mehr anders geht«, fügte er zu Tahâma gewandt leise hinzu. »Mir wird von dem Geschaukel nämlich schrecklich übel.«
    Sie hatten die Senke erreicht und ließen sich auf dem schmalen Sandstreifen zwischen den Felsen nieder. Tahâma wünschte eine gesegnete Nachtruhe, zog den Umhang über sich und schloss die Augen. Céredas dagegen kreuzte die Beine und blickte missmutig vor sich hin. Wurgluck kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er kletterte auf einen Fels, von dem aus er über den Rand der Senke sehen konnte, und ließ sich dort nieder. Aus seinem Bündel holte er eine Pfeife, stopfte sie umständlich, zündete sie mit einem glühenden Steinchen an, das er in einer Schachtel stets bei sich trug, und begann genüsslich zu paffen.
    Céredas sah noch eine Weile zu ihm hinauf. Er fühlte, wie seine Lider schwer wurden. Das seltsame Pochen in seinen Adern hatte nachgelassen, und auch sein Kopf fühlte sich wieder klarer an. So ließ er sich in den Sand sinken und schlief ein.
     
    Der Tag war noch nicht angebrochen, da weckte Wurgluck die Schlafenden. Sie hielten sich nicht lange auf, tranken nur einen Schluck Wasser und machten sich wieder auf den Weg, der aufgehenden Sonne entgegen. In der Morgendämmerung lag die Schlucht wieder still und reglos da. Ein paar Geier kreisten hoch oben im Himmel. Es schien fast, als wären das Wachsen der einen und der Zerfall der anderen Schluchtseite nur ein seltsamer Traum gewesen.
    Mit sicherem Schritt ging Céredas nahe der Kante voran und spähte immer wieder in die Tiefe, ob sich nicht ein Weg nach unten erkennen ließ. Tahâma und Wurgluck folgten in einigem Abstand. Immer wieder blieb der Erdgnom stehen, runzelte die Stirn und brummelte vor sich hin. So fiel er nach und nach zurück.
    Das Blauschopfmädchen hielt an, um auf ihn zu warten. »Was ist mit dir? Gehen wir zu schnell für dich? Bist du erschöpft von unserem gestrigen Marsch und der durchwachten Nacht?«
    Wurgluck schreckte aus seinen Gedanken auf und sah sie verwirrt an. Tahâma wiederholte ihre Frage.
    »Erschöpft?«, sagte der Erdgnom verächtlich. »Aber

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