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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Nachtvogels.
    »Er fürchtete sich vor den Schatten der Nacht«, sagte sie nach einer Weile mehr zu sich, aber der Jäger hatte sie gehört.
    »Der Mann war nicht bei Sinnen. Ich kann in der Nacht dort draußen keine Gefahr erkennen«, erklang seine Stimme.
    Auf der anderen Seite von Tahâma regte sich der Erdgnom. »Vielleicht. Möglich ist alles. Sicher dagegen ist, dass ich Hunger habe und meine Lephosfeigen rösten möchte.«
    Der Jäger zögerte einen Moment. »Gut, lasst uns ein Feuer machen und ein Nachtmahl zubereiten. Bleibt hier, ich werde nach Feuerholz suchen.«
    Tahâma kroch hinter ihm aus dem Versteck. Sie rieb ihren Kristall und summte ein paar Takte, bis er ein sanftes Licht erstrahlen ließ. Dann bückte sie sich nach trockenen Rindenstücken, die am Fuß einer Korkeiche lagen.
    »Du musst dich nicht dem kalten Nachtwind aussetzen«, sagte Céredas ungewöhnlich sanft. »Ich werde für das Feuer sorgen.«
    Tahâma sah auf. Es war, als spiegele sich eine winzige Flamme in seinen Augen, die ungewöhnlich warm strahlten. Sie steckte den glimmenden Stab in ihre Schärpe und bückte sich nach einem dürren Ast. »Ich danke dir, aber wie willst du dich ohne einen Lichtstrahl im Dunkeln zurechtfinden?«
    Ein mürrischer Zug umschattete seine Lippen. »Denkst du, ich war nie bei Nacht in der Wildnis? Ich bin ein Jäger aus dem schwarzen Felsengebirge! Wir leben in der Natur, und wir machen sie uns Untertan.« Er hob einen schweren Ast auf und trug ihn zu ihrem Felsenversteck hinüber.
    Tahâma folgte ihm. Sie sah zu, wie Céredas die Zweige brach und am Rand des Überhangs zu einem kleinen Lagerfeuer aufschichtete. Dann nahm er einen Feuerstein aus seinem Bündel, schob ein paar trockene Blätter zusammen und begann den Stein zu schlagen. Zweimal stoben die Funken auf, erstarben aber, bevor sie die Blätter erfassen konnten. Tahâma streckte ihren Stab vor, bis der Kristall die Holzstücke berührte, und stieß einige Laute in schnellem Rhythmus aus. Sofort züngelten Flammen über die trockene Rinde und leckten an den Zweigen.
    »Ein wirklich praktisches Spielzeug, dein Kristallstab«, lobte Wurgluck und rutschte näher ans Feuer.
    Céredas dagegen presste die Lippen aufeinander. »Magie«, presste er hervor, und es klang ein wenig abfällig.
    Tahâma öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber der Erdgnom stieß sie in die Seite und streckte ihr zwei braune, schrumpelige Früchte entgegen.
    »Lephosfeigen. Hier, nimm. Sie schmecken köstlich, wenn man sie in den Flammen röstet.«
    Tahâma dankte und lächelte dem Männchen zu, das nun Céredas zwei der faustgroßen Früchte reichte. Einen Augenblick starrte der Jäger ihn finster an, dann verzogen sich die Wolken auf seiner Stirn.
    »Ich danke dir, Wurgluck. Diese Frucht ist uns Jägern unbekannt. Sie gedeiht nicht in den kargen Schluchten des Felsengebirges.«
    Wurgluck nickte, steckte zwei Früchte auf einen Stock und hielt sie über die Flammen. Tahâma folgte seinem Beispiel.
    »Du musst warten, bis die Haut völlig schwarz ist«, erklärte der Erdgnom. »Dann schneidest du die Feige auf und isst das Innere. Es ist köstlich!« Er verdrehte die Augen und ließ ein genussvolles Schmatzen hören.
    Der Gnom hatte nicht zu viel versprochen. Die Früchte waren kräftig im Geschmack, mit einem Hauch von Süße auf der Zunge. Es ging auf Mitternacht zu, als Céredas’ Miene plötzlich erstarrte. Seine Augenbrauen schoben sich zusammen, seine Hand schnellte zum Griff der Axt.
    »Was ist?«, formten Tahâmas Lippen, dann aber kroch ihr eine eisige Kälte über den Rücken. Sie umklammerte den Griff des Stabes.
    Rasch warf Céredas Erde ins Feuer, bis die Flammen erstarben. Nichts war zu hören, doch irgendetwas strich dort draußen durch die Dunkelheit und verbreitete Schrecken um sich her.
    Wurgluck sprang auf und starrte in die Nacht. »Der Schatten!«, wisperte er.
    Zuerst wusste Tahâma nicht, was er meinte, dann jedoch bemerkte auch sie etwas, das finsterer als die Nacht erschien. Es floss träge durch die Bäume. Mal schien es sich zusammenzuziehen und eine Gestalt anzunehmen, dann wieder wogte es auseinander und löste sich im Dunkeln auf. Céredas stieß ein unterdrücktes Stöhnen aus, so als fühle er einen tiefen Schmerz. Ein Schrei zerriss die Nacht. Grell schnitt er durch die Herzen der drei, die dort unter der Felsplatte kauerten. Dann folgte ein Kreischen, ein Laut, der alles Grauen in sich trug. Was für ein Wesen Phantásiens konnte solch

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