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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ritten die Frauen den Hügel hinunter in die Nacht. Obwohl die Pferde ausgeruht waren und Glyowind immer wieder unruhig tänzelte, ließen sie sie nur im Schritt gehen. Wer konnte schon sagen, welche Kräfte die Tiere in dieser Nacht noch geben mussten?
    Die beiden Frauen ritten am Waldrand entlang und bogen erst kurz vor der Brücke auf die Straße ein. Gleich nachdem sie den Bach passiert hatten, verließen sie den Weg wieder und ritten unter den Weiden am Ufer entlang. Die Silberstute schimmerte zu auffällig im Sternenlicht, und sie wollten es vermeiden, von den Torwächtern entdeckt zu werden. Unter den tief hängenden Zweigen verborgen, näherten sie sich den Mauern, soweit es ihre Deckung zuließ. Dann blieben noch einige hundert Schritte offenes Land zwischen ihnen und dem Gerichtsplatz, einem niedrigen Mauerring unter einer einzelnen Linde, direkt vor den nun geschlossenen Stadttoren.
    Wie langsam die Nacht verging! Tahâma war übel vor Anspannung, dennoch blieb sie auf dem Rücken ihrer Stute sitzen und wandte keinen Blick von dem mächtigen Stadttor. Aylana dagegen saß mit gekreuzten Beinen im Gras, als hätten sie sich hier zu einem Mondscheinpicknick getroffen. Silberwind zupfte ein paar Blätter und wieherte leise. Aylana saß so reglos da, dass Tahâma dachte, sie wäre eingeschlafen. Sie überlegte, ob sie absteigen und sie wecken sollte, denn zu rufen wagte sie nicht, da fuhr die Frau plötzlich auf. Kaum einen Augenblick später saß sie schon auf Glyowinds Rücken an Tahâmas Seite. Für einen Moment wusste das Mädchen nicht, was Aylana aufgeschreckt hatte, dann aber drang auch an ihr Ohr ein Geräusch, das sie aufhorchen ließ.
    »Die Riegel«, flüsterte Aylana.
    Knarrend schwang ein Torflügel nach innen, und vier Geharnischte mit der blauen Flamme auf der Brust traten heraus. In ihrer Mitte schritt Céredas, die Hände gefesselt, das Haupt hoch erhoben. Tahâmas Hände krampften sich um die Zügel.
    »Noch nicht!«, beschwor Aylana sie und legte ihre kühle Hand auf die fiebrig glühende des Mädchens. »Warte, bis die Wächter Céredas angebunden haben und wieder am Tor sind.«
    Die Zeit schien zu gefrieren. Unendlich langsam bewegten sich die Männer. Tahâma glaubte jeden Muskel zu sehen, der in Céredas’ Gesicht zuckte, obwohl sie eigentlich viel zu weit weg war, und seine gesenkten Wimpern, unter denen er rasche Blicke nach beiden Seiten warf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie meinte Furcht in seinem Gesicht zu lesen, aber auch Ungeduld und fiebrige Erwartung. Ahnte er, dass seine Retter in der Nähe warteten?
    Die Wächter hatten den Steinkreis erreicht und befestigten Céredas’ Fesseln an dem Eisenring, der in eine schlanke Steinsäule eingelassen war. Sie legten den Köcher mit den Pfeilen, seinen Bogen und die Axt außerhalb seiner Reichweite auf einen steinernen Tisch. Ängstlich sahen sie sich um und hasteten zu dem nur noch spaltbreit geöffneten Tor zurück. Eine Glocke irgendwo in der Stadt schlug Mitternacht.
    Aylana berührte Tahâmas Arm und deutete nach rechts. Das Mädchen konnte zuerst nichts entdecken, was Aylanas Aufmerksamkeit erregt haben könnte, doch dann durchfuhr es sie kalt. Zwei rote Augen schimmerten dort im Dunkeln, ein Schatten kroch über das Gras. Tahâma war es, als wäre sie plötzlich zu Eis erstarrt. Er war da! Mit einem dumpfen Schlag fiel das Stadttor ins Schloss, der Riegel rastete ein.
    »Los jetzt!«, befahl Aylana und gab der schwarzen Stute einen Klaps, dass sie einen Satz nach vorn machte. Sie selbst schoss auf Glyowinds Rücken direkt auf den Schatten zu, der nun die Gestalt eines großen Mannes annahm. Das Heulen von Wölfen und noch grausameren Geschöpfen erfüllte die Nacht, aber Tahâma beachtete sie nicht. Die Lähmung war von ihr abgefallen. Ihr Ziel wartete dort vorn in dem steinernen Kreis auf sie, und keine Kreatur des Lords würde sie davon abhalten, es zu erreichen! Sie trieb ihre Stute an. Der Hengst folgte ihr, ohne dass sie an seinem Zügel ziehen musste. In rasendem Galopp flog sie über die Wiese. Nun hatte auch Céredas bemerkt, was vor sich ging, sein Blick aber huschte immer wieder an Tahâma vorbei, zu den Weiden hinüber, unter denen Aylana dem Schattenlord entgegenritt.
    Ein überraschter Schrei erscholl von der Stadtmauer. Tahäma erhaschte einen Blick auf eine weiße Gestalt mit einem Stab in der Hand. Würde der Großvater versuchen sie aufzuhalten? Hatte er die Macht

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