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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Stimme in ihrem Innern fragte, mit welchem Recht er ihr einen Platz anbot, wo er doch all die armen Wanderer, die sich nach Sicherheit sehnten, zurückwies. Wer war er, dass er über seine Nachfolge bestimmte, ohne die Bürger auch nur zu fragen? »Ich danke Euch, Großvater, für Euer Angebot, aber was ist mit meinen Freunden?«
    Der Alte ließ seinen Blick zu Wurgluck schweifen, der sich schweigend im Hintergrund hielt. Um seine Mundwinkel zuckte es unwillig. »Nun«, sagte er, »dein Freund möchte sicher zu seiner Sippe zurückkehren.« Das Wort »Freund« schien ihm nur schwer über die Lippen zu kommen. »Bis zu seiner Abreise kann er bei dir bleiben, wenn du es wünschst. Er ist klein, vielleicht könnte er dein Page sein und dich bedienen.«
    Der Erdgnom schnaubte, aber Tahâma beachtete ihn nicht. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wurgluck mag tun oder lassen, was ihm gefällt, aber was ist mit meinem zweiten Gefährten, den Ihr in Euer Verlies gesperrt habt?«
    Die Nachricht, dass der Gefangene ihr Reisegefährte war, schien ihn nicht zu überraschen. Er zögerte einen Moment, dann legte er seine schmale Hand auf Tahâmas Arm. Seine Stimme klang gedämpft, so als könne er nur mit Mühe seine Emotionen zurückhalten. »Mein liebes Kind, es tut mir unendlich Leid, dass du den Schmerz des Verrats erfahren musst. Er ist einer der schlimmsten. Ich selbst habe den Jäger ertappt, wie er sich an den Spiegeln zu schaffen machte, während der Lord und seine Schergen am Fuß der Mauer auf ihre Chance warteten. Nur durch mein beherztes Eingreifen konnte verhindert werden, dass mir in dieser Nacht ein Bürger verloren ging. Es ist ein furchtbares Schicksal, auf diese Weise zu sterben!«
    Eine ungeheure Wut schwoll in Tahâmas Brust, dennoch blieb sie äußerlich ruhig. »Ich will Eure Worte nicht in Zweifel ziehen, aber nicht immer ist alles so, wie es scheint. Habt Ihr ihn denn gefragt? Habt Ihr seine Sicht der Dinge gehört und bedacht? Das Offensichtliche ist oft genug nur ein Zerrbild der Wahrheit!«
    Der Weise lächelte gönnerhaft. »Mein Kind, es gereicht dir zur Ehre, dass du deinen Gefährten einer langen Reise zu verteidigen suchst. Aber bedenke, er stammt aus einem einfachen Volk von dumpfem Verstand und minderer Begabung, wie auch die Bauern und Handwerker hier. Du musst nur in ihre Gesichter sehen! Sie sind gedankenlose Kinder. Der Angeklagte ist ein Jäger aus dem Felsengebirge. Wie können wir seine niederen Instinkte verstehen wollen?«
    Der Damm brach, und die Flut stürzte alles niederreißend zu Tal. »Er hat die Spiegel nicht verdreht!«, schrie Tahâma, so dass die Wächter, die in einiger Entfernung standen, herumfuhren und sie anstarrten. Der Weise gab ihnen ein Zeichen, worauf sie sich wieder umwandten. »Und er hat auch den Schattenlord nicht eingelassen! Es gibt keinen vernünftigen Grund, weshalb er so etwas tun sollte!«, rief Tahâma.
    Wurgluck wandte sich ab und sah zu Boden. Sein Gesicht war voller Grimm.
    »Das Schicksal des Jägers liegt nicht in deinen Händen. Du kannst nichts für ihn tun«, sagte Centhân. »Er hat die Gesetze gebrochen und wird dafür gerichtet werden.«
    »Was werdet Ihr mit ihm machen?«, fragte sie mit erstickter Stimme.
    »Er ist zur Verbannung verurteilt. Er wird noch heute vor die Stadt gebracht.«
    Erleichterung durchströmte Tahâma. »Gut, dann werden wir heute weiterziehen. Lasst ihn aus seinem Verlies befreien und gebt ihm seine Habe zurück. Wir müssen nur noch unsere Bündel aus dem Gästehaus und die Pferde aus dem Stall holen.«
    Der Weise hob die Augenbrauen. »Ich bestimme die Stunde, zu der er vor das Tor gebracht wird!«
    »Dann sagt uns, wann das sein wird. Wir werden auf ihn warten.«
    »Bevor die Glocke Mitternacht schlägt.«
    Einen Augenblick herrschte Stille. Tahâmas Herz krampfte sich zusammen. »Ihr wollt ihn sehenden Auges dem Schattenlord ausliefern?«
    »So verlangt es das Gesetz.«
    »Das Gesetz?«, schrie sie. »Versteckt Euch jetzt nicht hinter dem Gesetz! Ihr bestimmt in dieser Stadt. Ihr legt die Regeln fest, denen sich alle zu fügen haben. Aber ich sehe, Euer Entschluss steht fest. Ich warne Euch! Auch ich bin ein Kind dieser Familie. Auch ich weiß Entschlüsse zu fassen und in die Tat umzusetzen!«
    »Tahâma, bleib hier! Du wirst den Palast nicht verlassen!«, rief Centhân, doch das Mädchen war schon davongestürzt.
    Wurgluck überlegte nicht lange und rannte hinterher.
    »Komm schnell!«, Tahâma schlug

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