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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Holz. Die Tashan Gonar schrien. Die Tür war ihnen versperrt. Noch immer drängten sich die Untoten vor der dunklen Öffnung. Hinter ihnen geiferten die Wölfe. In all dem Durcheinander kroch Thurugea auf den Lord zu und schob Krísodul in ihre Tasche.
    Das Feuer griff um sich. Die Flammen leckten die Wände hinauf. Panisch sah sich Tahâma um. Die Fensteröffnungen waren zu klein. Sollten sie hier elendig verbrennen? »Singt«, schrie sie, »singt, alle zusammen!« Doch die Blauschöpfe waren so von Todesangst erfüllt, dass keiner auf das Mädchen hörte.
    Céredas sah zum Lord hinüber, ihre Blicke trafen sich. Der Jäger hob seine Axt, rannte zu einem Fenster und riss den Laden auf. Wie ein Wahnsinniger schlug er mit seiner Axt auf Glas und Rahmen ein, um die Öffnung zu vergrößern.
    In all dem Inferno stand der Schattenlord und sog in tiefen Zügen die angsterfüllte Luft ein. Als die Flammen sich ihm näherten, hob er die Arme. Um ihn begann es zu wirbeln, doch dieses Mal löste er sich nicht in Nebel auf. Er wurde zu einem blutroten Wolf. Mit einem Satz flog er durch die Halle und durchschlug neben Céredas die Wand. Von dem riesenhaften Körper mitgerissen, wurde der Jäger ins Freie geschleudert. Hinter ihm drängten sich die Tashan Gonar aus der brennenden Halle und rannten in wilder Panik in alle Richtungen davon. Sie versuchten irgendwo ein Versteck zu finden. Die Wölfe jaulten. Die Jagd hatte begonnen!
     
    Als die vom Schattenlord ausgehende Kälte verwehte und das Jaulen der Wölfe verklang, kehrten Tahâma, Wurgluck und Céredas in ihre Hütte zurück. Die Morgendämmerung würde noch einige Stunden auf sich warten lassen. Dann erst konnten sie ermessen, welche Verluste diese Nacht gekostet hatte. Wurgluck blieb nur kurz, um sich zu vergewissern, dass das Mädchen und der Jäger unverletzt waren, dann wuselte er wieder in die Nacht hinaus. Tahâma stand in der Tür und sah ihm nach.
    »Er wird wiederkommen«, sagte Céredas.
    »Ich zweifle nicht daran«, antwortete Tahâma. »Für heute Nacht ist die Gefahr vorüber.«
    Der Jäger nickte. Er trat hinter sie, hob die Hände und näherte sie ihren Schultern, ließ sie dann jedoch wieder sinken, ohne das Mädchen zu berühren.
    Tahâma drehte sich um und sah ihm in die Augen. »Was ist?«
    »Die Stunde des Abschieds ist gekommen.«
    »Was meinst du damit?« Ihre Hände begannen zu zittern. »Warum sprichst du von Abschied?«
    »Du bist wieder bei deinem Volk, und so werde ich meinen Weg allein fortsetzen.«
    »Nein!«, rief sie. »Bitte, du kannst doch hier bleiben. Alle werden dich herzlich aufnehmen.«
    »Und was wird aus meinem Volk?«
    Tahâma schluckte. »Wirst du wiederkommen?«
    »Nein«, sagte er leise und wandte den Blick ab.
    »Ich brauche dich. Der Lord wird zurückkehren und uns alle vernichten.«
    Céredas griff nach ihren Händen und sah sie fest an. »Du bist stark. Du kannst gegen ihn bestehen. Ich fühle die Kraft in dir. Du musst nur an dich glauben.«
    Es war Tahâma, als höre sie wieder die Stimme ihres Vaters. »Ach, wie soll ich etwas ausrichten, da ich nicht einmal mehr Krísodul besitze. Willst du nicht wenigstens bis zum Morgen warten und hören, wie es mit uns weitergehen soll?«, bat sie und sah ihn flehend an.
    Céredas nickte. Was machte es schon, den Aufbruch um eine oder zwei Stunden zu verschieben?
    Im Morgengrauen kehrten auch die letzten Überlebenden zurück. Erschöpft, zerzaust und mit rußverschmierten Gesichtern standen die Blauschöpfe im verwüsteten Garten vor der eingestürzten Brandruine, die einmal ihre Versammlungshalle gewesen war. Stumm trugen sie die Leichen von einem Dutzend Frauen, Männern und Kindern heran. Äußerlich waren sie unverletzt, ihre Gesichtszüge jedoch zeigten deutlich, wie sie durch den Lord den Tod gefunden hatten.
    Noch bevor die Sonne aufging, begruben die Tashan Gonar ihre Toten, dann drängten sich die Trauernden in Thurugeas Haus zusammen. Einige Frauen kochten Kräutersuppe und wärmten Met, die anderen kauerten schweigend am Boden. Die Mutter der Harmonie verteilte Suppe und sang den Kindern, die immer wieder aufschrien, wenn der Schrecken der Nacht in ihren Geist zurückkehrte, ein beruhigendes Lied. Irgendwann begann der Met die verschreckten Gemüter zu wärmen. Erste leise Gespräche flackerten auf.
    Tahâma, Céredas und Wurgluck saßen zusammen in einer Ecke. So viele ihres Volkes auf diese Weise zu verlieren, nachdem sie sie gerade erst wiedergefunden hatte, schmerzte

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