Die Seele des Feuers - 10
Schreibtisch. Mit einem Finger schob er sie widerstrebend ein paar Zoll in Dalton Campbells Richtung.
»Dafür seid Ihr mir nichts schuldig, Meister Campbell. Ihr habt mir nie eine Belohnung dafür versprochen. Das hab ich getan, weil ich Euch helfen wollte und um den zukünftigen Herrscher zu schützen, nicht wegen einer Belohnung. Ich kann kein Geld annehmen, das mir nicht zusteht.«
Der Adjutant lächelte bei sich. »Nimm die Münze, Snip. Das ist ein Befehl. Wenn du die Tasche in Fairfield abgeliefert hast, habe ich heute nichts mehr für dich, ich möchte daher, daß du einen Teil davon ausgibst – oder alles, wenn du willst, und zwar für dich. Mach dir einen schönen Tag. Kauf dir Süßigkeiten, oder etwas zum Trinken. Das Geld gehört dir, du kannst damit machen, was du willst.«
Snip unterdrückte seine Aufgeregtheit. »Ja, Sir. Danke, Sir. Dann werde ich also tun, was Ihr verlangt.«
»Gut. Da wäre allerdings noch etwas.« Campbell stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Gib es nicht für die Prostituierten in der Stadt aus. Dieses Frühjahr gehen unter den Huren in Fairfield einige äußerst unangenehme Krankheiten um. Es wäre eine höchst unschöne Art zu sterben. Wenn du zur falschen Hure gehst, lebst du nicht mehr lange genug, um ein guter Bote zu werden.«
Die Vorstellung, mit einer Frau zusammenzusein, hatte zwar etwas geradezu quälend Verlockendes, Snip sah jedoch nicht recht, wie er jemals den Mumm aufbringen sollte, die Sache bis zum Ende durchzustehen und sich vor einer nackt auszuziehen. Er mochte es, Frauen anzusehen, so wie er Claudine Winthrop gerne betrachtete oder auch Beata, und er stellte sie sich gerne nackt vor, nie jedoch stellte er sich vor, sie könnten ihn nackt sehen, womöglich noch in erregtem Zustand. Es bereitete ihm genug Mühe, seinen erregten Zustand vor den Frauen zu verbergen, wenn er angezogen war. Er sehnte sich danach, mit einer Frau zusammenzusein, vermochte sich aber einfach nicht vorzustellen, daß die Peinlichkeit der Situation nicht alles Lustvolle nehmen würde.
Wenn es sich um ein Mädchen handelte, das er kannte und mochte, das er eine Weile küßte und liebkoste und dem er den Hof machte – das er richtig gut kennenlernte –, vielleicht konnte er sich dann vorstellen, zur Sache zu kommen, aber wie jemand zu einer Frau, die er nicht einmal kannte, gehen und sich vor ihr nackt ausziehen konnte, war ihm völlig unbegreiflich.
Vielleicht, wenn es dunkel wäre. Vielleicht war das der Trick. Vielleicht war es in den Zimmern der Prostituierten dunkel, so daß die beiden Menschen sich in Wirklichkeit gar nicht sehen konnten. Trotzdem würde er…
»Snip?«
Snip räusperte sich. »Nein, Sir. Ich schwöre es, ich werde in Fairfield zu keiner Prostituierten gehen. Nein, Sir, ganz bestimmt nicht.«
24. Kapitel
Dalton gähnte, nachdem der Junge gegangen war. Er war seit lange vor dem Hellwerden auf den Beinen, hatte Personal herbeizitiert, sich mit vertrauten Helfern getroffen, ihren Berichten über verwertbare Gespräche während des Festessens gelauscht und sich anschließend um das Abfassen der vielen Nachrichten gekümmert. Das – unter anderem – mit dem Kopieren und Abfassen der Nachrichten beschäftigte Personal belegte die sechs nächsten Zimmer auf dem Flur, doch um die Aufgabe kurzfristig durchführen zu können, hatten sie sein Vorzimmer benötigt.
Dalton hatte seine Boten beim ersten Morgengrauen zu den Ausrufern in jedem Winkel Anderiths geschickt. Später, wenn der Minister aufgestanden sein und er sein Techtelmechtel mit der Person, die in seinem Bett gelandet war, beendet haben würde, konnte er den Mann über den Wortlaut der Erklärung in Kenntnis setzen, damit dieser nicht überrascht wäre; schließlich war er der Unterzeichner der Bekanntmachung.
Die Ausrufer würden die Mitteilung dann in Versammlungssälen verlesen, in Gildensälen, in Händler- und Kaufleutehallen, in den Ratssälen der Ortschaften und Städte, in Gasthäusern, Schenken, auf jedem Standort der Armee, an jeder Universität, in jedem Gottesdienst, bei jeder Bußversammlung, in jeder Walk-, Papier- und Getreidemühle, auf jedem Marktplatz – überall dort, wo Menschen zusammenkamen, von einem Ende Anderiths zum anderen.
Ausrufer, die die Nachricht nicht exakt so verlasen, wie sie abgefaßt war, wurden früher oder später angezeigt und durch Männer ersetzt, die ein größeres Interesse daran hatten, ihre zusätzliche Einkommensquelle zu
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