Die Seele des Feuers - 10
haben, hatte sie so angespornt, daß sie den Vormittag beim Gebet verbrachte. Er bezweifelte, daß eine Begegnung mit dem Schöpfer persönlich sie hätte mehr bewegen können. Es freute Dalton, daß er Teresa ein derart erhebendes Erlebnis hatte bieten können.
Wenigstens war sie nicht wie verschiedene andere Frauen in Ohnmacht gefallen, als sie dem Herrscher vorgestellt wurde. Wäre es nicht so alltäglich, es wäre für diese Menschen peinlich gewesen. Nach Lage der Dinge jedoch hatte jeder Verständnis und war bereit, ihre Reaktion hinzunehmen. In mancherlei Hinsicht war es ein Zeichen der Würde, ein Beweis des Glaubens, der ihre Ergebenheit dem Schöpfer gegenüber unter Beweis stellte. Niemand sah darin etwas anderes als ein pures aufrichtiges Glaubensbekenntnis.
Dalton dagegen erkannte den Herrscher als den Mann, der er tatsächlich war, ein Mann in erhabener Stellung, aber nichtsdestoweniger ein Mann. Für manch einen überschritt er allerdings die Grenzen solch weltlicher Überlegungen. Wenn Bertrand Chanboor, ein bereits jetzt weithin als der hervorragendste Minister für Kultur, der je amtiert hatte, geachteter und bewunderter Mann, Herrscher würde, würde auch er zum Ziel grenzenloser Bewunderung aufsteigen.
Dalton vermutete allerdings, viele der ohnmächtig werdenden Frauen zielten eher darauf ab, sich unter ihn zu werfen, als vor ihm niederzusinken. Für viele käme dies einer religiösen Erfahrung gleich, die über den schlichten Akt der Paarung mit einem mächtigen Mann, wie es der Minister für Kultur war, hinausging. Die heilige Einwilligung in eine derartige Zusammenkunft mit dem Herrscher adelte sogar deren Ehemänner.
Dalton vernahm ein Klopfen an der Tür und sah auf. Er wollte gerade »Herein« sagen, als die Frau bereits ins Zimmer gestürmt kam. Es war Franca Gowenlock.
Dalton erhob sich. »Ah, Franca, wie schön, dich zu sehen. Hat dir das Fest gefallen?«
Aus irgendeinem Grund wirkte die Frau rätselhaft. In Verbindung mit ihren dunklen Augen, den dunklen Haaren und dem generellen Eindruck, demzufolge sie stets – selbst wenn dem gar nicht so war – irgendwie im Schatten zu stehen schien, verlieh ihr dies ein wahrhaft finsteres Aussehen. Die Luft wirkte stets still und kühl, wenn diese Frau zugegen war.
Im Vorübergehen packte sie die Lehne eines Stuhles und zog diesen mit bis zum Schreibtisch. Sie stellte den Stuhl davor, ließ sich vor ihm niederplumpsen und verschränkte die Arme. Leicht aus der Fassung gebracht, ließ Dalton sich in seinen Sessel zurücksinken.
Von ihren zusammengekniffenen Augen gingen feine Fältchen aus. »Ich kann diesen Kerl von der Imperialen Ordnung, diesen Stein, nicht ausstehen. Kein bißchen.«
Dalton, in seinem Sessel, entspannte sich. Franca trug ihr schwarzes, nahezu schulterlanges Haar offen, und doch stand es ein wenig von ihrem Gesicht nach hinten, als wäre es in einem eisigen Wind erstarrt. An ihren Schläfen waren ein paar graue Strähnen zu sehen, doch statt sie älter zu machen, unterstrichen sie einfach nur ihre Ernsthaftigkeit.
Ihr schlichtes, ockerfarbenes Kleid war hochgeschlossen. Ein wenig darüber schmiegte sich ein Band aus schwarzem Samt um ihren Hals. Gewöhnlich war es aus schwarzem Samt, aber nicht immer. Woraus es auch immer bestand, es war stets wenigstens zwei Finger breit.
Da sie immer ein Halsband trug, wunderte sich Dalton zunehmend, ob sich darunter etwas verbarg. Da Franca war, wie sie nun einmal war, hatte er nie nachgefragt.
Er kannte Franca Gowenlock seit nahezu fünfzehn Jahren, und seit etwas mehr als der Hälfte dieser Zeit hatte er sich ihrer Fähigkeiten bedient. Manchmal überlegte er bei sich, sie müsse einst enthauptet worden sein und sich ihren Kopf selbst wieder angenäht haben.
»Das tut mir leid, Franca. Hat er dich gekränkt? Dich beleidigt? Er hat dir doch nicht etwa ein Haar gekrümmt, oder? Wenn ja, werde ich dafür sorgen, daß man sich seiner annimmt – du hast mein Wort darauf.«
Franca wußte, ein Versprechen von ihm an sie war über jeden Zweifel erhaben. Sie schlang ihre langen, eleganten Finger in ihrem Schoß ineinander. »Ihm standen genug Frauen zur Verfügung, die willens und bereit waren. Mich hat er dafür nicht gebraucht.«
Dalton, ehrlich verlegen, aber trotzdem auf der Hut, breitete die Hände aus. »Worum geht es dann?«
Franca stützte ihre Unterarme auf den Schreibtisch und beugte ihren Kopf nach vorn. Sie senkte die Stimme.
»Er hat etwas mit meiner Gabe angestellt.
Weitere Kostenlose Bücher