Die Seele des Feuers - 10
Vision gewesen.«
»Ja.«
»Ich möchte mit Visionen nichts zu schaffen haben.«
»Aber … aber … du mußt. Es war doch eine Vision.«
»Visionen sind eine Form der Prophezeiung. Bislang hat mir noch keine Prophezeiung geholfen, fast immer haben sie mir Unglück gebracht. Ich will nichts davon hören.«
»Aber Visionen können helfen.«
»Nein, das können sie nicht.«
»Sie enthüllen die Wahrheit.«
»Sie sind nicht wahrer als ein Traum.«
»Träume können ebenfalls wahr sein.«
»Nein, Träume sind niemals wahr. Sie sind nichts weiter als Träume. Visionen sind ebenfalls nicht wahr. Sie sind nichts als Visionen.«
»Aber ich habe dich in einer Vision gesehen.«
»Interessiert mich nicht. Ich will nichts davon hören.«
»Du hast in Flammen gestanden.«
Richard seufzte schwer. »Ich hatte auch schon Träume, in denen ich fliegen konnte. Dadurch wird es noch lange nicht wahr.«
Du Chaillu beugte sich zu ihm. »Du träumst, du kannst fliegen? Wirklich? Du meinst, wie ein Vogel?« Sie richtete sich auf. »So etwas habe ich noch nie gehört.«
»Es war nur ein Traum, Du Chaillu, wie deine Vision.«
»Aber ich hatte eine Vision davon. Das bedeutet, es ist die Wahrheit.«
»Nur weil ich in meinen Träumen fliegen kann, heißt das noch nicht, daß es auch stimmt. Ich stürze mich nicht mit den Armen schlagend von hoch gelegenen Orten. Es war bloß ein Traum, genau wie deine Vision. Ich kann nicht fliegen, Du Chaillu.«
»Aber verbrennen kannst du.«
Richard legte die Hände auf die Knie, lehnte sich ein Stück nach hinten und atmete tief und erfüllt von Nachsicht durch.
»Also schön, einverstanden. Was ist sonst noch in dieser Vision geschehen?«
»Nichts. Das war alles.«
»Nichts? Das war es schon? Ich, inmitten von Flammen? Da war nichts weiter als ein Traum, in dem ich in Flammen stehe?«
»Es war kein Traum.« Sie hob einen Finger, um ihre Worte zu unterstreichen. »Sondern eine Vision.«
»Und du bist diesen weiten Weg gereist, um mir das mitzuteilen? Nun, vielen Dank, daß du eine so weite Reise auf dich genommen hast, um mir das zu sagen, aber jetzt müssen wir wirklich weiter. Erzähl deinem Volk, der Caharin wünscht ihnen alles Gute. Angenehme Heimreise.«
Richard tat, als wolle er sich erheben.
»Es sei denn, du hast mir noch mehr zu sagen«, setzte er hinzu.
Die Abfuhr ließ Du Chaillu ein wenig auftauen. »Es hat mir Angst gemacht, meinen Gemahl in Flammen zu sehen.«
»Ich bekäme es auch mit der Angst, wenn ich in Flammen stünde.«
»Es würde mir nicht gefallen, wenn der Caharin in Flammen stünde.«
»Dem Caharin ebensowenig. Nun, haben dir deine Visionen auch verraten, wie ich verhindern kann, verbrannt zu werden?«
Sie senkte den Blick und zupfte verlegen an der Decke. »Nein.«
»Siehst du? Zu was taugt sie dann?«
»Sie taugt dazu, daß man von diesen Dingen erfährt«, meinte sie, während sie ein Flusenkügelchen über die Decke rollte. »Das könnte hilfreich sein.«
Richard kratzte sich an der Stirn. Sie stand kurz davor, ihren Mut zusammenzunehmen und ihm etwas noch Wichtigeres, noch Besorgniserregenderes mitzuteilen. Er vermutete, die Vision war nur ein Vorwand gewesen, deshalb mäßigte er seinen Ton, in der Hoffnung, es aus ihr herauszubekommen.
»Danke für deine Warnung, Du Chaillu. Ich werde sie im Gedächtnis behalten, damit sie mir hilft.«
Sie sah ihm in die Augen und nickte.
»Wie hast du mich gefunden?« wollte er wissen.
»Du bist der Caharin.« Jetzt sah sie wieder edel aus. »Ich bin die Seelenfrau der Baka Tau Mana, die Hüterin der alten Gesetze. Deine Gemahlin.«
Richard verstand. Sie war ihm wie die D’Haraner über die Bande verbunden – wie auch Cara. Und wie Cara vermochte auch Du Chaillu seinen Aufenthaltsort zu spüren.
»Ich war eine Tagesreise südlich von hier. Beinahe hättest du mich nicht gefunden. Bereitet es dir neuerdings Schwierigkeiten festzustellen, wo ich mich befinde?«
Sie wich seinem Blick aus und nickte. »Früher brauchte ich mich einfach nur hinzustellen und konnte, den Wind im Haar und die Sonne oder die Sterne im Gesicht, zum Horizont blicken, die Hand ausstrecken und sagen: ›In dieser Richtung befindet sich der Caharin‹.«
Sie brauchte einen Augenblick, um ihre Stimme wiederzufinden. »Es wurde immer schwieriger, zu wissen, wohin ich zeigen soll.«
»Bis vor wenigen Tagen waren wir in Aydindril«, sagte Richard. »Du mußt aufgebrochen sein, lange bevor ich hierher kam.«
»Das ist richtig. Als
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