Die Seele des Feuers - 10
kulturelle Überlegenheit geltend gemacht hat. Nach allem, was ich weiß, könnte ihre Version sogar stimmen.«
Richard war mittlerweile aufgestanden und zog, die Hände in die Hüften gestemmt, ein ungläubiges Gesicht. »Und das hat der Rat in Aydindril gestattet? Dort hat man zugelassen, daß die Anderier die Hakenier auf diese Weise zu Sklaven machen?«
»Die Hakenier unterwerfen sich widerstandslos. Sie glauben, was ihnen die anderischen Lehrer beigebracht haben – daß es so besser ist.«
»Aber wie kann der Zentrale Rat eine solche Verdrehung der Gerechtigkeit zulassen?«
»Du vergißt, daß die Midlands ein Bund souveräner Länder waren. Die Konfessoren setzten sich dafür ein, daß die Herrschaft in den Midlands bis zu einem gewissen Maß gerecht war. Wir haben nie die Ermordung politischer Gegner und ähnliches hingenommen, wenn sich aber ein Volk wie die Hakenier bereitwillig mit den Zuständen in ihrem Land einverstanden erklärte, hatte der Rat wenig Einfluß. Brutale Formen der Machtausübung stießen auf Widerstand, bizarre Formen der Machtausübung nicht.«
Richard warf die Hände in die Höhe. »Aber die Hakenier sind nur deswegen einverstanden, weil sie diesen Unsinn eingetrichtert bekommen. Sie wissen doch überhaupt nicht, wie lächerlich das ist. Das ist dasselbe wie der Mißbrauch eines unwissenden Volkes.«
»In deinen Augen ist es vielleicht Mißbrauch. Sie sehen das anders, nämlich als einen Weg zum Frieden in ihrem Land. Das ist ihr gutes Recht.«
»Die Tatsache, daß man sie absichtlich unwissend hält, beweist, daß es sich um einen Mißbrauch handelt.«
Sie neigte den Kopf in seine Richtung. »Hast du mir nicht gerade selbst erklärt, die Hakenier hätten kein Recht, die anderische Kultur zu zerstören? Und jetzt argumentierst du, der Rat hätte ebendies tun sollen?«
Die Enttäuschung stand Richard ins Gesicht geschrieben. »Du sprichst vom Rat der Midlands?«
Kahlan trank noch einen Schluck und reichte ihm dann den Wasserschlauch.
»Dies alles liegt Jahrhunderte zurück. Kein Land war stark genug, ein Gesetz in den übrigen Midlands durchzusetzen. Wir versuchten lediglich, mit Hilfe des Rates zusammenzuarbeiten. Die Konfessoren schritten ein, sobald ein Herrscher seine Schranken überschritt.
Hätten wir vorschreiben wollen, wie die einzelnen Länder zu regieren seien, wäre der Bund auseinandergebrochen, und an die Stelle von Vernunft und Zusammenarbeit wären kriegerische Auseinandersetzungen getreten. Ich behaupte nicht, er war perfekt, Richard, aber zumindest hat er den meisten Menschen ein Leben in Frieden ermöglicht.«
Er seufzte. »Vermutlich. Ich bin kein Experte in Regierungsdingen. Vermutlich hat er den Völkern der Midlands über Jahrtausende gute Dienste geleistet.«
Kahlan nagte an ihrem Tavabrot. »Geschehnisse wie die in Anderith sind der Grund dafür, daß ich verstanden habe, was du erreichen möchtest, und daran glaube, Richard. Bis zu deinem von D’Hara unterstützten Aufstieg war kein Land alleine stark genug, ein gerechtes, für alle Völker geltendes Recht festzuschreiben. Gegen einen Widersacher wie Jagang war der Bund der Midlands chancenlos.«
Richard vermochte sich nicht recht vorzustellen, wie es für sie als Mutter Konfessor gewesen sein mußte, ihr Lebenswerk in die Brüche gehen zu sehen. Richards Vater, Darken Rahl, hatte Ereignisse in Gang gesetzt, die die gesamte Welt verändert hatten. Zumindest Kahlan hatte das Chaos als Chance begriffen.
Richard rieb sich die Stirn und überlegte, was als nächstes zu tun war.
»Also gut, jetzt weiß ich ein wenig über die Geschichte Anderiths. Wäre mir die Geschichte D’Haras bekannt, würde ich sie bestimmt noch unerquicklicher finden, trotzdem erkennt man mich dort als Führer an und kämpft für die Gerechtigkeit – so seltsam das auch klingen mag. Die Seelen wissen, einige Völker haben mir die Verbrechen aus der Vergangenheit D’Haras um meinen Rahl’schen Hals gehängt.
Nach dem, was du mir von der anderischen Geschichte erzählt hast, handelt es sich offenbar um ein Volk, das sich niemals der Herrschaft der Imperialen Ordnung unterwerfen würde. Glaubst du, wir könnten Anderith dazu bringen, sich uns anzuschließen?«
Kahlan atmete tief durch, während sie darüber nachdachte. Er hatte gehofft, sie würde zustimmen, ohne lange überlegen zu müssen.
»Sie werden von einem Herrscher regiert, der gleichzeitig ihr religiöser Führer ist. Dieser Aspekt der anderischen Gesellschaft
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