Die Seele des Feuers - 10
Kahlan sie mit erhobener Hand grüßte. Viele sanken auf ein Knie, nur weil sie in ihre Richtung geblickt hatte.
Wie in vielen anderen Orten auch, hatten Soldaten bereits Kunde von der bevorstehenden Abstimmung gebracht. Jetzt, da Richard und Kahlan hier waren, hofften die Menschen, sie darüber sprechen zu hören, man solle sich, wie bereits der größte Teil der übrigen Midlands, dem d’Haranischen Reich anschließen. Obwohl selbst ein Teil von ihnen, waren die Midlands für diese Menschen ein fremdes und fernes Land. Sie fristeten ihr Dasein an diesem kleinen Ort, wo sie, von Gerüchten abgesehen, von der Welt um sie herum kaum etwas mitbekamen.
D’Haranische Gardisten hielten die Menschenmenge freundlich auf Distanz, während Richard die Artefakte des leuchtenden Gründers und Namensgebers ihres Landes begutachtete. Richard hatte die Soldaten angewiesen, sich freundlich und ›nett‹ zu verhalten.
Als Kahlan den Pfad entlangging, erspähte sie Du Chaillu, die ein Stück abseits des Pfades allein auf einer aus einem gespaltenen Baumstamm gefertigten Bank im Schatten einer sich ausbreitenden Zeder saß. Mittlerweile empfand Kahlan Respekt für die Unbeirrbarkeit dieser Frau. Sie schien zu Recht darauf bestanden zu haben, sie zu begleiten, und sei es nur, weil sie fest entschlossen war, Richard, ihren ›Gemahl‹ und Caharin ihres Volkes, zu unterstützen. Du Chaillu hatte Richard zwar mehrfach daran erinnert, dass sie als seine Gemahlin zur Verfügung stehe, sollte er nach ihr verlangen, selbst aber keine Annäherungsversuche unternommen. Auf eine verschrobene Weise schien dies für sie nichts weiter als eine Frage der Höflichkeit zu sein. Es hatte ganz den Anschein, als sei Du Chaillu zwar durchaus bereit, ihm in jeder Eigenschaft als Gemahlin zu dienen und sich ihm zu fügen, biete ihre Dienste aber eher aus Achtung vor den Gesetzen ihres Volkes an, denn aus persönlicher Begierde.
Du Chaillu verehrte, wofür Richard stand, nicht Richard als Person. Für Richard war dies kaum ein Trost, für Kahlan dagegen schon.
Solange es dabei blieb, hielten Du Chaillu und Kahlan einen verlegenen Waffenstillstand. Kahlan traute der Frau nach wie vor nicht ganz über den Weg, nicht, solange Richard das Ziel ihrer Aufmerksamkeit war – ob nun aus Pflichtgefühl oder nicht.
Du Chaillu ihrerseits sah Kahlan in ihrer Rolle als Anführerin ihres Volkes, in ihrer Magie und als Richards Gattin, nicht als überlegen, sondern schlicht als ebenbürtig an. Kahlan musste zu ihrer Schande gestehen, dass sie dies empfindlicher traf als alles andere.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Du Chaillu lehnte sich zurück, streckte sich und lehnte sich mit den Schultern an den Baum. Sie deutete mit der Hand auf den leeren Platz neben sich und gewährte somit die Bitte. Kahlan raffte ihr weißes MutterKonfessoren-Kleid hinter die Knie und setzte sich.
Auf einer kleinen, an den Pfad angrenzenden Stelle, zwischen den Bäumen verborgen, waren sie für Passanten nicht zu sehen – ein intimes Plätzchen, eher geeignet für zwei Liebende als für die beiden Frauen eines Mannes.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Du Chaillu? Du siehst ein wenig … erschlagen aus.«
Du Chaillu war über Kahlans Ausdruck der Besorgnis ein wenig verdutzt. Schließlich ging ihr die Bedeutung auf, und sie lächelte. Sie nahm Kahlans Hand, legte sie sich auf den festen, runden Bauch, wo sie sie mit ihren beiden Händen festhielt. Du Chaillus Leibesumfang bekam allmählich etwas Üppiges.
Kahlan spürte, wie sich das Leben in Du Chaillu rührte. Wie sich das Kind bewegte.
Du Chaillu lächelte stolz. Kahlan zog ihre Hand zurück.
Kahlan verschränkte ihre Hände im Schoß. Sie blickte zu den aufziehenden Wolken hoch. Dies war nicht so, wie es sein sollte. Sie hatte es sich immer als freudig vorgestellt.
»Es missfällt dir?«
»Was? Nein – ganz und gar nicht. Es ist ganz wunderbar.«
Du Chaillu nahm Kahlans Kinn und zog ihr Gesicht zu sich herum.
»Kahlan, du weinst?«
»Nein. Schon gut.«
»Du bist unglücklich, weil ich ein Kind bekomme?«
»Nein, Du Chaillu, ich bin nicht unglücklich, wirklich…«
»Du bist unglücklich, weil ich ein Kind haben werde und du nicht?«
Kahlan hielt ihre Zunge im Zaum, um nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren.
»Du solltest nicht unglücklich sein, Kahlan. Du wirst ebenfalls eines Tages ein Kind haben. Ganz bestimmt.«
»Du Chaillu – ich bin schwanger.«
Du Chaillu stemmte eine Hand in ihr Kreuz und streckte
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