Die Seele des Feuers - 10
Quere zu kommen. Wenn du deine Sache gut machst, stelle ich dich dem Herrscher vor.«
Ihre Sprachlosigkeit währte nicht lange. »Wenn wir uns heute abend zurückziehen und schlafen gehen, wirst du schon sehen, wie gut ich sein kann. Die Seelen mögen mich behüten«, setzte sie leise hinzu, »hoffentlich halte ich es solange aus. Der Herrscher. O Dalton, du bist so unglaublich.«
Während sie vor einem Spiegel an ihrem Toilettentisch saß und überprüfte, welchen Schaden er mit seinen Küssen in ihrem Gesicht angerichtet hatte, zog Dalton den hohen Kleiderschrank auf. »Nun, Tess, welcher Tratsch ist dir zu Ohren gekommen?«
Er blickte in den Kleiderschrank, ging seine Hemden durch und suchte nach dem mit dem Kragen, der ihm am ehesten zusagte. Da ihr Kleid von goldener Farbe war, änderte er seine Pläne und beschloß, seine rote Jacke anzuziehen. Sie war ohnehin die beste, wenn er ein selbstbewußtes Auftreten an den Tag zu legen beabsichtigte.
Zum Spiegel gebeugt, sich die Wangen mit einem kleinen Schwamm abtupfend, den sie zuvor durch einen silbernen Behälter mit rosafarbenem Puder gezogen hatte, plapperte Teresa weiter zusammenhanglos über den Tratsch im Haus. Nichts davon erschien Dalton wichtig. Seine Gedanken wanderten zu den wirklichen Sorgen, mit denen er sich zu beschäftigen hatte, zu den Direktoren, die es noch zu überzeugen galt, und wie er Bertrand Chanboor zu behandeln gedachte.
Der Minister war ein gerissener Mann, ein Mann, den Dalton verstand. Der Minister teilte Daltons Ehrgeiz, wenn auch in einem weiter gefaßten, öffentlicheren Sinn. Bertrand Chanboor war ein Mann, der alles wollte – von einem hakenischen Mädchen, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte, bis hin zum Herrscherthron. Hätte Dalton etwas zu sagen – und das hatte er –, würde Bertrand Chanboor bekommen, was er wollte.
Und Dalton käme in den Besitz jener Macht und Autorität, nach der es ihn verlangte. Er mußte nicht Herrscher werden. Minister für Kultur genügte ihm.
Der Minister für Kultur war die wahre Macht im Lande Anderith, er erließ die meisten Gesetze und ernannte die Gouverneure, um sie durchzusetzen. Einfluß und Machtbefugnis des Ministers für Kultur wirkten sich auf jedes Geschäft, auf jede Person im Lande aus. Er führte das Regiment über den Handel, die Künste, die öffentlichen Einrichtungen und die Glaubensrichtungen. Er hatte die Oberaufsicht über die Armee und alle öffentlichen Vorhaben. Obendrein galt er als Verkörperung der Religion. Der Herrscher war dagegen Zeremonie und Gepränge, Juwelen und Bekleidung, Festlichkeiten und Affären.
Nein, Dalton würde sich mit dem Amt des Ministers für Kultur ›zufriedengeben‹. Mit einem Herrscher, der auf dem Spinnennetz tanzte, das Dalton perfekt bediente.
»Ich habe deine guten Stiefel wienern lassen«, sagte Teresa. Sie deutete auf das andere Ende des Kleiderschranks. Er bückte sich und nahm sie in die Hand.
»Was gibt es Neues aus Aydindril, Dalton? Du sagtest, Stein solle seine Meinung über die Alte Welt und die Imperiale Ordnung kundtun. Was ist mit Aydindril? Was haben die Midlands vorzubringen?«
Wenn es etwas gab, das Daltons ehrgeizige Ziele und Pläne stören konnte, dann die Geschehnisse in Aydindril.
»Die aus Aydindril zurückgekehrten Botschafter berichteten, die Mutter Konfessor habe sich und die gesamten Midlands nicht nur auf Gedeih und Verderb mit Lord Rahl verbündet, dem neuen Lenker des d’Haranischen Reiches, sondern wolle diesen Mann sogar ehelichen. Mittlerweile dürfte sie mit dem Mann verheiratet sein.«
»Verheiratet! Die Mutter Konfessor persönlich, verheiratet.« Teresa richtete ihr Augenmerk wieder auf den Spiegel. »Muß eine großartige Angelegenheit gewesen sein. Ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Hochzeit alles in Anderith in den Schatten stellt.« Teresa hielt nachdenklich vor ihrem Spiegel inne. »Aber die Kraft einer Konfessor überwältigt einen Mann, sobald diese ihn heiratet. Dieser Lord Rahl wird nichts weiter sein als eine Marionette der Mutter Konfessor.«
Dalton schüttelte den Kopf. »Offenbar besitzt er die Gabe und kann nicht durch ihre Kraft vernichtet werden. Ein kluger Zug von ihr, einen Lord Rahl von D’Hara zu ehelichen, der die Gabe besitzt. Das beweist nur ihre Gerissenheit, ihre innere Überzeugung und eine geschickte strategische Planung. Durch den Zusammenschluß der Midlands und D’Haras ist ein Reich entstanden, das man fürchten und mit dem man rechnen muß.
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