Die Seele des Feuers - 10
hatte.
Solche Männer waren gefährlich. Dalton hatte sich dennoch dafür eingesetzt, ihn nicht hinzurichten. Männer wie er konnten durchaus auch nützlich sein.
»Oh, und das wirst du einfach nicht für möglich halten«, meinte Teresa gerade. Sie hatte wieder von dem Tratsch angefangen, den sie aufgeschnappt hatte. Da ihm gerade Serin Rajak durch den Kopf ging, hörte er nur halb hin. »Diese Frau, von der ich sprach, die eine so hohe Meinung von sich hat, Claudine Winthrop, nun, sie erzählte uns, der Minister habe ihr Gewalt angetan.«
Dalton hörte noch immer nur halb zu. Ihm war bekannt, daß der Tratsch der Wahrheit entsprach. Claudine Winthrop war besagte ›verwirrte Frau‹ aus der Nachricht im Geheimfach seines Schreibtisches, jene Frau, für die er eine Entschädigung zu finden hatte. Sie war es auch, die Direktor Linscott den Brief geschrieben hatte – den Brief, der nie angekommen war.
Wann immer sich Claudine Winthrop die Gelegenheit bot, scharwenzelte sie um den Minister herum, flirtete mit ihm, lächelte ihn an, zwinkerte ihm zu. Was glaubte sie wohl, was passieren würde? Sie hatte bekommen, was sie bekommen mußte, und das wußte sie. Und jetzt beschwerte sie sich?
»Daher ist sie so erzürnt darüber, vom Minister auf derart rohe Weise behandelt zu werden, daß sie nach dem Abendessen vor Lady Chanboor und sämtlichen Gästen verkünden will, der Minister habe ihr auf derbste Weise Gewalt angetan.«
Dalton spitzte die Ohren.
»Es sei eine Vergewaltigung gewesen, so nennt sie es, und als Vergewaltigung werde sie es der Gattin des Ministers zutragen.« Teresa drehte sich auf ihrem Hocker und fuchtelte ihm mit einem kleinen Pinsel aus Eichhörnchenhaar vor dem Gesicht herum. »Und den Direktoren des Ministeriums für kulturelle Zusammenarbeit, vorausgesetzt, es sind welche anwesend. Falls der Herrscher tatsächlich anwesend sein sollte, könnte daraus ein häßlicher Streit entstehen, Dalton. Der Herrscher ist verpflichtet, die Hand zu heben und Ruhe zu befehlen, damit sie sprechen kann.«
Dalton war mittlerweile ganz bei der Sache. Die zwölf Direktoren würden bei dem Fest anwesend sein. Jetzt wurde ihm klar, worum es im Fall Claudine Winthrop ging.
»Das hat sie gesagt, ja? Hast du gehört, wie sie es sagte?«
Teresa stemmte eine Hand in die Hüfte. »Aber ja. Ist das nicht ein Ding? Dabei sollte sie doch wissen, wie Minister Chanboor ist, daß er mindestens die Hälfte aller Frauen auf dem Anwesen in sein Bett gelockt hat. Und jetzt will sie Ärger machen? Das dürfte eine ziemliche Sensation werden, möchte ich meinen. Eins sage ich dir, Dalton, sie führt etwas im Schilde.«
Als Teresa schwatzend zu einem anderen Thema übergehen wollte, unterbrach er sie und fragte: »Was hatten die anderen Frauen dazu zu sagen? Zu Claudines Plänen?«
Teresa legte den Eichhörnchenpinsel fort. »Nun, wir alle sind der Meinung, daß es einfach fürchterlich ist. Immerhin gilt der Minister für Kultur als wichtiger Mann. Eines Tages könnte er sogar Herrscher werden – der jetzige Herrscher ist schließlich kein junger Mann mehr. Der Minister könnte jeden Augenblick berufen werden, den Herrscherthron zu besteigen. Das ist eine schreckliche Verantwortung.«
Sie richtete ihren Blick wieder auf den Spiegel und machte sich mit einer Haarnadel zu schaffen. Dann wandte sie sich abermals um und drohte ihm damit. »Der Minister ist schrecklich überarbeitet und hat ab und zu das Recht auf eine harmlose Zerstreuung. Die Frauen sind willig. Das geht niemanden etwas an – es ist ihr Privatleben – und hat keinerlei Auswirkung auf die öffentlichen Geschäfte. Außerdem ist es schließlich nicht so, als hätte die kleine Schlampe nicht geradezu darum gebeten.«
Das vermochte Dalton nicht zu bestreiten. Er konnte ums Verrecken nicht begreifen, wie Frauen, adlige oder hakenische junge Frauen, dem alten Lüstling zuzwinkern und anschließend überrascht sein konnten, wenn er daraufhin anbiß, sozusagen.
Natürlich war dieses hakenische Mädchen, Beata, weder alt noch erfahren genug gewesen, um solche Erwachsenenspiele völlig zu durchschauen. Vermutlich hatte sie bei der Geschichte Stein ebensowenig auf ihrer Rechnung gehabt. Das Mädchen tat Dalton ein wenig leid, auch wenn sie Hakenierin war. Nein, sie hatte Stein, der im hohen Weizen lauerte, sicherlich nicht bemerkt, als sie den Minister ehrfürchtig angelächelt hatte.
Die anderen Frauen jedoch, die bei Hofe sowie die erwachsenen Frauen, die wegen
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