Die Seele des Königs (German Edition)
hinzu. » Es war nicht einmal eines von den lauten und schreienden, sondern ein süßes, kicherndes. Ich sage dir, dieses Tier ist das reine Böse.«
Sie schüttelte den Kopf und nippte an der Suppe. » Du bist abgesondert.«
Er hob eine Braue.
» Nicht?«, fragte sie. » Ist das kein Wort in deiner dummen Sprache?«
» Doch, es ist ein Wort«, sagte er, » aber es bedeutet nicht das, was du glaubst.«
» Abgefüttert? Abgehalftert? Ein Wort, das bedeutet, dass du dumme Dinge sagst und dich vermutlich niemals ändern wirst.«
» Ich glaube nicht, dass wir dafür ein Wort haben.«
» Ich bin sicher, dass ich eins kenne«, sagte sie. » Dumme Sprache. Sie hat nicht genügend Wörter.«
» Wie viele Wörter hat denn deine Sprache?«
» Viele. Viele, viele, viele. Wir haben siebzehn verschiedene Begriffe, wenn wir sagen wollen, dass jemand nicht mehr hungrig ist.«
» Das klingt kompliziert.«
» Unsinn. Du musst bloß Geduld haben.«
» Ich wünschte mir allmählich, dass ich dieses besondere Wort niemals gelernt hätte.«
Sie grinste, holte Schüsseln und teilte die Suppe aus. » Du bist ein geduldiger Mann, Siris mit dem verlorenen Bärtchen. Hast du nicht zwanzig Jahre mit Schwertübungen verbracht? Und das alles nur, um ein einziges wichtiges Ziel zu erreichen? Das ist wahre Geduld.«
» Dessen bin ich mir nicht sicher«, sagte er und nahm die Schüssel entgegen. » Ich habe das alles nur getan, weil es von mir erwartet wurde. Sobald ich einmal damit angefangen hatte, lief es wie von selbst weiter. Niemand hat mir erlaubt, gewöhnliche Dinge zu tun, wie zum Beispiel meine Kleidung zu waschen. Die anderen haben darauf beharrt, es für mich zu erledigen. Ich musste trainieren. Immer nur trainieren. Immer. Bei den Festen konnte ich die leckeren Speisen nicht nehmen, weil alle mich beobachtet haben.«
» Ich beobachte dich jeden Morgen, wie du mit diesem Schwert übst, bis du schwitzt. Das deutet nicht auf einen ungeduldigen Menschen hin.«
» Ich übe, weil … weil ich nun einmal so bin. Ich kann es nicht erklären. Es ist für mich so natürlich wie das Atmen. Du würdest doch einen Menschen nicht geduldig nennen, nur weil er es geschafft hat, zwanzig Jahre lang unablässig zu atmen.«
» Ich weiß nicht«, sagte sie. » Manchmal ist das Weiteratmen ganz schön schwierig.« Sie deutete auf ihren Verband und zog eine Grimasse. Die Wunde verheilte sehr langsam. Man schüttelte es nicht einfach ab, wenn jemand einem ein Schwert in den Bauch gerammt hatte.
Es sei denn, man war Siris. Er schaute auf den Ring des Gottkönigs an seinem Finger.
Isa folgte seinem Blick. » Wir haben noch nicht über das gesprochen, was ich gesagt hatte«, meinte sie. » Über den Ring …«
» Es ist schon in Ordnung«, meinte er und rührte in seiner Suppe herum. Dann nahm er einen Schluck. Sie schmeckte wunderbar. Wie hatte Isa das gemacht? Es waren doch nur gekochte Blätter und zerkleinerte Bambussprossen. » Ich habe es bereits herausgefunden.«
» Ach ja?«
» Ich muss von einem der Ewiglichen abstammen. Aus diesem Grund kann ich die Ringe benutzen. Und deshalb war der Gottkönig an meiner Blutlinie interessiert.«
» Warte. Er war an deiner Blutlinie interessiert? Warum?«
» Ich habe es noch nicht erwähnt«, sagte er, » aber ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass er es war, der das Opfersystem erfunden hat. Es könnte … es könnte sein, dass meine Familie der Grund für seine Herrschaft über dieses Land ist. Deshalb behandelt er die Menschen mit so großer Tyrannei – weil er meine Blutlinie dazu ermuntern will, gegen ihn zu kämpfen.«
» Das ändert alles«, flüsterte sie.
Er sah sie an und runzelte die Stirn.
» Die Ewiglichen haben nur sehr selten Kinder«, erklärte sie. » Manche sagen, dass die Kinder eines Ewiglichen diesen herausfordern und ihm seine Unsterblichkeit stehlen können. Was auch immer der Grund dafür sein mag, es gibt eine unausgesprochene Regel unter ihnen. Keine Kinder. Sie …«
» Was?«
» Es heißt, dass die Ewiglichen damals, als sie an die Macht kamen, jeden ermordet haben, der mit ihnen verwandt war.«
Er betastete die Klinge der Unsterblichkeit, die an seiner Seite hing. Das bedeutet, dass ich vermutlich doch nicht mit dem Gottkönig verwandt bin , dachte er. Er hat mich zu überreden versucht, bei ihm zu bleiben. Bei einem meiner Vorfahren hat er das sogar geschafft. Er hätte uns nicht in seiner Nähe behalten wollen, wenn wir eine Gefahr für ihn darstellen
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