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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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werde ich meinen letzten Wesenspräger verändern – denjenigen, den ich eigentlich nie benutzen wollte. Ich werde ihm und meinen Erinnerungen einen freundlichen Großvater hinzufügen, der mir das Leben gerettet hat. Er war ein weiser Mann voller Mitleid, den ich sehr geachtet habe.«
    » Geh, du närrisches Mädchen«, sagte er. Er hatte tatsächlich eine Träne im Augenwinkel. Wenn sie sich nicht am Rande einer Panik befunden hätte, wäre sie stolz darauf gewesen. Und hätte sich gleichzeitig für ihren Stolz geschämt. So war sie nun einmal.
    » Ashravan lebt«, sagte sie. » Vergesst das nicht, wenn Ihr an mich denkt. Es hat funktioniert. Dunkle Nacht, es hat funktioniert !«
    Sie ließ ihn stehen und rannte den Korridor entlang.
    Gaotona lauschte den hastenden Schritten des Mädchens, aber er drehte sich nicht um, beobachtete nicht ihre Flucht. Er starrte die Tür zu den kaiserlichen Gemächern an. Zwei verwirrte Wächter, und ein Weg zu … zu was?
    Zur Zukunft des Reichs der Rose.
    Wir werden von jemandem angeführt werden, der nicht wirklich lebt , dachte Gaotona. Er ist die Frucht unserer schmutzigen Arbeit .
    Er holte tief Luft, ging an den Wächtern vorbei, drückte die Tür auf und wollte sich das ansehen, was er geschaffen hatte.
    Bitte … bitte lass es kein Ungeheuer sein .
    Shai ging den Korridor entlang und hielt das Kästchen mit den Siegeln eng an sich gedrückt. Sie riss sich die geknöpfte Bluse vom Körper – darunter kam das eng anliegende schwarze Baumwollhemd zum Vorschein – und steckte sie in ihre Tasche. Ihren Rock und die Hose darunter behielt sie an. Sie waren nicht so verschieden von der Kleidung, die sie stets bei ihrer Ausbildung getragen hatte.
    Um sie herum zerstreuten sich die Diener. Sie erkannten an Shais Haltung, dass sie ihr besser aus dem Weg gehen sollten. Plötzlich fühlte sich Shai selbstsicherer als seit vielen Jahren.
    Sie hatte ihre Seele zurück. Alle Teile davon.
    Während sie ging, holte sie einen ihrer Wesenspräger hervor. Mit kühnen Bewegungen strich sie Tinte darauf und steckte das Kästchen zurück in ihre Rocktasche. Dann rammte sie sich das Siegel gegen den rechten Oberarm, drehte es, schrieb ihre eigene Geschichte, ihre Erinnerung und ihre Lebenserfahrungen neu.
    In diesem Bruchteil eines Augenblicks erinnerte sie sich an beide Leben. Sie erinnerte sich daran, zwei Jahre lang den Wesenspräger geplant und ausgeführt zu haben, und sie erinnerte sich an ihr Leben als Fälscherin.
    Gleichzeitig erinnerte sie sich daran, die letzten fünfzehn Jahre beim Volk der Teullu verbracht zu haben. Sie hatten Shai aufgenommen und in ihren Kriegskünsten unterrichtet.
    Zwei Orte gleichzeitig, zwei Zeitstränge gleichzeitig.
    Dann verblasste der erste, und sie wurde zu Shaizan; das war der Name, den die Teullu ihr gegeben hatten. Ihr Körper wurde drahtiger, fester. Es war der Körper einer Kriegerin. Sie zog ihre Brille aus, benötigte sie nicht mehr. Ihre Augen waren schon vor langer Zeit geheilt.
    Es war schwierig gewesen, Zugang zur Ausbildung der Teullu zu erhalten, denn diese mochten keine Fremden. Während ihres Jahres dort war sie von ihnen fast ein Dutzend Mal beinahe getötet worden. Aber sie war erfolgreich gewesen.
    Nun hatte sie jedes Wissen um die Herstellung von Seelenstempeln und jegliche wissenschaftlichen Neigungen verloren. Sie war noch sie selbst, und sie erinnerte sich an ihre unmittelbare Vergangenheit – daran, dass sie gefangen genommen worden war und in dieser Zelle hatte sitzen müssen. Sie behielt natürlich auch ihr Wissen um das, was sie soeben mit dem Stempel an ihrem Arm gemacht hatte und wusste, dass das Leben, an das sie sich nun erinnerte, eine Fälschung war.
    Aber sie spürte es nicht. Während das Siegel an ihrem Arm brannte, wurde sie zu der Version ihrer selbst, die sie gewesen wäre, wenn sie von einer harten Kriegerkultur adoptiert und mehr als ein Jahrzehnt in ihr gelebt hätte.
    Sie warf ihre Schuhe von sich. Ihre Haare wurden kürzer; eine Narbe erstreckte sich von ihrer Nase bis zur rechten Wange. Sie bewegte sich wie eine Kriegerin; sie schlich, statt aufrecht zu schreiten.
    Nun hatte sie den Dienstbotentrakt des Palastes erreicht, der kurz vor den Stallungen lag. Die kaiserliche Galerie befand sich links von ihr.
    Vor ihr wurde eine Tür geöffnet. Tzu, groß und breitlippig, drängte sich hindurch. Er hatte eine Schnittwunde auf der Stirn – Blut sickerte noch immer durch den Verband um seinen Kopf – und seine

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