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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Junge.
    » In diesem Fall reicht es völlig aus«, erwiderte Audrey. » Auf dem Umschlag steht dein voller Name sowie deine Adresse. Die Neigung der Handschrift, der Zwischenraum zwischen den Wörtern, die Bildung der Buchstaben … alles führt zur selben Antwort. Außerdem hat er ein sehr charakteristisches e . Wenn wir den längeren Text als Vergleichsmaßstab nehmen, kann der Umschlag meiner Einschätzung nach mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit als von derselben Hand stammend angesehen werden.«
    » Danke«, sagte ich.
    » Ich hätte gern einen neuen Hund«, sagte sie, als sie wegging.
    » Ich imaginiere dir kein Hündchen, Audrey. J. C. sorgt schon für genug Aufruhr. Ich will nicht, dass hier auch noch ein bellender Hund herumrennt.«
    » Ach, bitte«, sagte sie und drehte sich vor der Tür um. » Ich werde ihm unechtes Futter und unechtes Wasser geben und mit ihm unecht Gassi gehen – alles, was ein unechter Hund verlangen kann.«
    » Hinaus mit dir«, sagte ich, aber ich lächelte. Sie wollte mich nur aufziehen. Es war schön, einige Aspekte zu haben, denen es nichts ausmachte, Halluzinationen zu sein. Der junge Mann bedachte mich mit einem Blick der Verblüffung.
    » Sie können damit aufhören, mir etwas vorzuspielen«, sagte ich zu ihm.
    » Vorspielen?«
    » Sie müssen nicht so tun, als wären Sie überrascht, wie ›seltsam‹ ich bin. Das war ein ziemlich amateurhafter Versuch. Ich vermute, Sie sind ein Student?«
    In seinen Augen zeigte sich Panik.
    » Beim nächsten Mal sollten Sie einen Zimmergenossen bitten, für Sie zu schreiben«, sagte ich und warf ihm das Blatt entgegen. » Verdammt, für so etwas habe ich keine Zeit.« Ich stand auf.
    » Du könntest ihm ein paar Fragen stellen«, sagte Tobias.
    » Nachdem er mich angelogen hat?«, fuhr ich ihn an.
    » Bitte«, sagte der Junge und erhob sich ebenfalls. » Meine Freundin …«
    » Vorhin haben Sie sie als Ihre Verlobe bezeichnet«, sagte ich und drehte mich um. » Sie sind hier und versuchen mich für einen ›Fall‹ zu interessieren, bei dem Sie mich an der Nase herumführen wollen, während Sie sich insgeheim Notizen über meinen Zustand machen. Ihr wahres Anliegen besteht darin, eine Dissertation oder etwas Ähnliches über mich zu schreiben.«
    Er machte ein langes Gesicht. Ivy stand hinter ihm und schüttelte geringschätzig den Kopf.
    » Glauben Sie etwa, Sie sind der Erste, der auf diese Idee kommt?«, fragte ich.
    Er zog eine Grimasse. » Sie können niemanden dafür verurteilen, dass er es versucht hat.«
    » Doch, das kann ich, und das tue ich«, sagte ich. » Sogar sehr oft. Wilson! Wir brauchen bessere Sicherheitsmaßnahmen!«
    » Nicht nötig«, sagte der Junge. In seiner Hast fiel ihm ein Miniatur-Rekorder aus der Hemdtasche und klapperte auf den Tisch.
    Ich hob eine Braue, als er errötete, den Rekorder an sich nahm und aus dem Raum schoss.
    Tobias stand auf und kam zu mir herüber. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. » Armer Junge. Vermutlich muss er zu Fuß nach Hause gehen. Und das in diesem Regen.«
    » Es regnet?«
    » Stan sagt, dass er bald einsetzen wird«, meinte Tobias. » Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass sie so etwas weniger oft versuchen würden, wenn du dann und wann zu einer Befragung bereit wärest?«
    » Ich bin es leid, mich in Fallstudien wiederzufinden«, sagte ich und machte eine abwehrende Handbewegung. » Ich habe keine Lust mehr, herumgestoßen zu werden. Ich habe keine Lust mehr, etwas Besonderes zu sein.«
    » Was?«, sagte Ivy belustigt. » Würdest du lieber einen Bürojob haben und jeden Tag am Schreibtisch sitzen? Und dieses geräumige Haus aufgeben?«
    » Ich sage nicht, dass mir die Nebeneinnahmen nicht gefallen«, meinte ich, als Wilson wieder eintrat, den Kopf wendete und zusah, wie der junge Mann durch die Haustür floh. » Vergewissern Sie sich bitte, dass er wirklich geht, Wilson.«
    » Selbstverständlich, Master.« Er übergab mir ein Tablett mit der Tagespost darauf, dann verließ er den Raum.
    Ich sah die Post durch. Er hatte schon die Rechnungen und die Werbung aussortiert. So waren nur ein Brief von meinem real existierenden Psychotherapeuten – den ich nicht weiter beachtete – und ein unscheinbarer weißer großer Umschlag übrig geblieben.
    Ich runzelte die Stirn, nahm ihn an mich und riss ihn auf. Dann holte ich den Inhalt heraus.
    Es war nur ein einziger Gegenstand in dem Umschlag. Eine einzige Fotografie, fünf mal acht, in Schwarz-Weiß.

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