Die Seele des Königs (German Edition)
hat, nicht sowieso ein Riesenschwindel war. Ehrlich gesagt komme ich immer mehr zu dem Ergebnis, dass es einer war. Razon wurde stärker gefoltert, als es jeder einfache Wissenschaftler hätte aushalten können, und doch hat er den Terroristen nicht das gegeben, was sie haben wollten. Weil er es nicht konnte. Es war alles ein großer Betrug.«
Sie seufzte und stand auf. » Sie schlagen etwas aus, das Sie zu wahrer Größe hätte führen können.«
» Meine Liebe«, erwiderte ich und erhob mich ebenfalls, » Sie sollten doch inzwischen wissen, dass ich wahre Größe schon hatte. Ich habe sie gegen Mittelmäßigkeit und ein gewisses Maß an geistiger Gesundheit eingetauscht.«
» Sie sollten um eine Rückerstattung bitten«, sagte sie, » denn ich habe bei Ihnen weder das eine noch das andere festgestellt.« Sie zog etwas aus ihrer Jackentasche und legte es auf den Tisch. Es war ein großer Umschlag.
» Und was ist das?«, fragte ich und nahm ihn an mich.
» Wir haben einen Film in der Kamera gefunden«, erklärte sie. » Nur ein einziges Bild ließ sich noch retten.«
Zunächst zögerte ich, dann holte ich die Fotografie heraus. Sie war in Schwarz und Weiß, wie die anderen. Sie zeigte einen bärtigen Mann in einer Robe, der auf etwas saß, das ich nicht erkennen konnte. Sein Gesicht war beeindruckend. Nicht wegen seiner Umrisse, sondern weil er unmittelbar in die Kamera schaute. In eine Kamera, die es vor zweitausend Jahren noch nicht gegeben hatte.
» Wir glauben, es stammt vom Einzug in Jerusalem«, sagte sie. » Der Hintergrund jedenfalls sieht wie die Schöne Pforte aus. Es ist aber schwer zu sagen.«
» Mein Gott«, flüsterte Ivy und trat neben mich.
Diese Augen … Ich starrte das Foto an. Diese Augen .
» He, ich dachte, so etwas sagst du nicht«, rief J. C. Ivy zu.
» Das war kein Fluch«, meinte sie und legte die Finger ehrerbietig auf das Foto. » Das war eine Beschreibung.«
» Leider ist es bedeutungslos«, sagte Monica. » Wir können nicht beweisen, wer das ist. Selbst wenn wir es könnten, würde es das Christentum weder beweisen noch widerlegen. Dieses Bild wurde aufgenommen, bevor der Mann getötet wurde. Von allen Fotos, die Razon gemacht hat …« Sie schüttelte den Kopf.
» Das ändert meine Entscheidung nicht«, sagte ich und schob das Foto zurück in den Umschlag.
» Das hatte ich auch nicht erwartet«, sagte Monica. » Betrachten Sie es als Ihre Bezahlung.«
» Ich war für Sie nicht von großem Nutzen.«
» Wir waren es für Sie auch nicht«, sagte sie und schritt aus dem Zimmer. » Guten Abend, Mister Leeds.«
Ich fuhr mit dem Finger über den Umschlag und hörte zu, wie Wilson Monica zur Tür geleitete und diese dann hinter ihr schloss. Ich ließ J. C. und Ivy allein zurück, die sich über sein andauerndes Fluchen stritten, ging in die Eingangshalle und stieg die Treppe hoch, wobei ich die Hand auf das Geländer legte. Schließlich erreichte ich den Korridor im ersten Stock.
Mein Arbeitszimmer lag ganz am Ende. Der Raum wurde von einer einzelnen Lampe auf dem Schreibtisch erhellt; die Vorhänge waren bereits zur Nacht vorgezogen. Ich begab mich zu meinem Schreibtisch und setzte mich. Tobias hatte in einem der beiden Sessel davor Platz genommen.
Ich schlug ein Buch auf – das letzte eines ehemals hohen Stapels – und blätterte es durch. Das Bild von Sandra, das in dem Bahnhof aufgenommen worden war, hing an der Wand neben mir.
» Haben sie es herausgefunden?«, fragte Tobias.
» Nein«, sagte ich, » du etwa?«
» Es ging nie um die Kamera, nicht wahr?«
Ich lächelte und blätterte eine Seite um. » Ich habe seine Taschen durchsucht, kurz nachdem er gestorben war. Etwas hat mir in die Finger geschnitten. Es waren Glasscherben.«
Tobias zog die Stirn kraus. Nachdem er kurz nachgedacht hatte, lächelte er. » Zerbrochene Birnen?«
Ich nickte. » Es war nicht die Kamera, es war das Blitzlicht . Als Razon in der Kirche fotografiert hat, hat er den Blitz sogar draußen im Sonnenlicht benutzt. Sogar wenn der Gegenstand, den er fotografieren wollte, gut ausgeleuchtet war und er etwas einfangen wollte, das am hellen Tag geschehen war, so wie Jesus’ Erscheinen vor dem Grab nach seiner Auferstehung. Das ist ein Fehler, den ein guter Fotograf niemals machen würde. Und er war ein guter Fotograf, was deutlich an den Bildern zu sehen war, die in seiner Wohnung hingen. Er hatte ein ausgezeichnetes Auge für Beleuchtung.«
Ich blätterte noch einmal um, griff in meine
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