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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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aus den Apparaten, die seine Lebenszeichen wiedergaben. Draußen auf dem Korridor raschelten Roben; es waren seine Ergebenen, die sich beeilten, dem Ruf der Reinkarnation zu folgen.
    Ja, nach außen zeigte er heitere Gelassenheit. Doch in seinem Inneren herrschte das Chaos. Er würde es allerdings niemals zeigen. Tausende Lebensjahre hatten Raidriar viele Dinge gelehrt, aber das wichtigste war, die Kontrolle zu behalten. Er richtete sich auf und streckte die Hand nach dem Helm aus, der auf dem Tisch neben ihm lag. Die Gesichter der Ewiglichen durften von den gewöhnlichen Sterblichen niemals erblickt werden.
    Er stand auf, schritt mit nackten Füßen über den weichen Bambusboden und durchquerte den Raum, bis er seine Rüstung erreicht hatte. Sie war recht neu und auf der Höhe der gegenwärtigen Technologie und Formgebung. Er hatte vorgehabt, sie endlich einmal zu benutzen – und nun war die beste Gelegenheit dazu.
    Seine alte Rüstung war inzwischen vermutlich bereits von Dieben gestohlen worden – abgeschält von seinem Leichnam.
    Er sah in den Leerseelen-Spiegel an der Wand – den Spiegel, der zu früheren Zeiten ein Monitor genannt worden wäre, aber das war schon so lange her, dass er solche Begriffe nicht mehr benutzte. Sie waren für die Gegenwart nur verwirrend. Die in diesem Spiegel auftauchenden Informationen deuteten an, dass sein neuer Körper normal funktionierte, die Reinkarnation ein Erfolg war und in diesem Teil seines Königreiches alles seinen gewohnten Lauf nahm.
    Er stieg in seine Rüstung, die offen und ausgebreitet wie ein Leichnam auf einem Seziertisch dalag. Sie schloss sich um ihn und umfasste ihn vollkommen.
    In seinen Gedanken spielte sich wieder der Kampf ab. Ein weiterer in einer langen Reihe von » Helden« war hergekommen, um ihn zu töten und damit die alte Legende fortzuführen. Das Angebot, sich in den Dienst des Königs zu stellen, hatte er abgelehnt. Es war ein Duell nach dem klassischen Ideal gefolgt, Mann gegen Mann. War den Sterblichen die Ehre bewusst, die er ihnen durch ein solches Privileg gewährte? Vermutlich nicht – denn dieser Sterbliche hatte das Duell damit beendet, dass er dem Gottkönig die eigene Klinge in die Brust gerammt hatte.
    Einen Augenblick lang hatte der Gottkönig wahre Angst verspürt, als er verblüfft vor seinem Thron gelegen hatte. Er konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Dieser … dieser Junge hatte die Klinge der Unendlichkeit benutzt – die Schlächterin der Götter.
    Ich hätte sterben können , dachte er. Ich hätte den letzten Tod, den wahren Tod erleiden können . Das war eine unvertraute Vorstellung. Er wälzte den Gedanken hin und her wie jemand, der einen neuen Wein probiert.
    Er empfand diesen Wein als bitter. Er wurde an die Person erinnert, die er vor langer, langer Zeit gewesen war. Doch mit jener Person hatte er nicht mehr gemein wie eine Eichel mit einer mächtigen Eiche. Nein – er hatte mit ihr nicht mehr gemein wie eine Eichel mit einem Tempel, der aus dieser Eiche erbaut worden war.
    Die bequeme Vertrautheit seiner Rüstung umhüllte ihn, schloss sich um Arme, Hände, Hals, Oberkörper. Sofort strich kühle Luft über seine Haut, und die Rüstung kümmerte sich um seine lebenswichtigen Organe, schenkte ihm Kraft, heilte ihn und half ihm durch vorsichtige Injektionen auf die eine oder andere Weise. Er setzte den Helm auf.
    Die Rüstung selbst war natürlich nicht lebendig – besaß nicht einmal ein hirnloses Leben –, und die Stärkung, die sie verlieh, war geringfügig. Bei Kämpfen zwischen den Ewiglichen kam es auf den eigenen Körper an. Rüstungen, die wie eine Maschine wirkten, waren schon vor Jahrtausenden aufgegeben worden. Wenn man nicht dauerhaft getötet werden konnte, musste man andere Wege finden, sich den anderen gegenüber als überlegen zu beweisen. Bei den Duellen ging es um Geschick, Gewandtheit und Klasse und nicht darum, wer die mächtigste Hilfsmaschine bauen konnte.
    Seine Ergebenen traten dicht gedrängt ein und fielen auf die Knie. Der Gottkönig schritt an ihnen vorbei; der Bambusboden knirschte unter seinen Füßen. » Aktiviert die Leerseelen im Tempel von Lantimor«, sagte er und machte eine Bewegung mit seiner gepanzerten Hand.
    » Großer Meister?«, fragte einer der Ergebenen und schaute auf. » Ist etwas nicht in Ordnung?«
    » Keineswegs«, sagte der Gottkönig.
    Die Ergebenen erwiderten nichts darauf; sie wussten, dass der Gottkönig eigentlich für einige Zeit nicht mehr hier

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