Die Seele heilen
stabiler Zustand erreicht. Die Behandlung muss unbedingt fortgeführt werden. Und man kann selbst viel zur eigenen Stabilisierung beitragen.
SABINE WEHNER-ZOTT
Das Ende der Akutphase
Nach drei bis vier Wochen regelmäßiger und vorschriftsmäßiger Einnahme der Antidepressiva merkte ich, dass ich die Akutphase der Depression langsam überwand: Meine Gedanken wurden wieder klarer und waren nicht mehr permanent schwarz gefärbt, ich konnte besser schlafen und fühlte mich nicht mehr völlig kraftlos. »Das Eis meiner Seele schmolz« – so beschrieb der Psychiater Piet C. Kuiper den Zustand, der das Ende der Akutphase anzeigt. Aber nicht nur ich selbst, auch andere merkten, dass es mir wieder besser ging und ich wieder mehr Interesse für die Welt hatte. Als ich zum Beispiel eines Morgens die Reinigungskraft in der Klinik freundlich begrüßte und mich dafür bedankte, dass sie das Zimmer sauber machte, sagte sie: »Das ist schön, dass Sie wieder richtig da sind. Bisher haben sie uns gar nicht gesehen. Jetzt wird es aufwärts gehen.« Und sie hatte recht.
In einer akuten Depression fühlt man sich wie in einem engen dunklen Loch gefangen, jetzt sieht man wieder einen Lichtschein und wagt schließlich, sich ihm zuzuwenden und aus dem Loch hervorzukriechen. Wenn man jedoch längere Zeit bewegungslos in der Dunkelheit feststeckte, dann müssen sich die Augen erst wieder an das Licht gewöhnen und die eingeschlafenen Gliedmaßen müssen langsam wieder trainiert werden. Ähnlich ist es auch nach der Akutphase der Depression: Man muss sich langsam wieder daran gewöhnen, aktiv zu werden.
Es ist jetzt wichtig, sich schrittweise wieder mehr zuzutrauen und mehr zu tun. Anfangs mag Ihnen das vielleicht mühsam erscheinen und Sie müssen sich noch dazu überwinden. Aber je aktiver Sie werden, umso leichter werden Ihnen die Aktivitäten fallen und umso mehr Leben kommt wieder in Sie. Raffen Sie sich also auf, stehen Sie aus dem Bett auf, sobald Sie morgens aufwachen, und beginnen Sie den Tag.
SABINE WEHNER-ZOTT
Raus aus dem Morgentief
Morgens aus den Federn zu kommen ist für depressive Menschen nicht einfach, da die Krankheit ja geprägt ist von einem Gefühl leidvoller Unzulänglichkeit und apathischer Kraftlosigkeit. Man ist überzeugt davon, dass alles sinnlos und man selbst völlig unfähig und ohne Energie ist. Man tut nichts mehr, grübelt nur noch dumpf vor sich hin und findet nicht die Kraft, aufzustehen. Das führt dazu, sich noch nutzloser zu fühlen. Und weil man eigentlich weiß, wie schädlich dieses Verhalten ist, kommt es auch noch zu Schuldgefühlen und das Selbstwertgefühl sinkt noch weiter. Dadurch wird wiederum die Depression verstärkt und es wird noch schwerer, sich selbst zu motivieren. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist es notwendig, aktiv zu werden. Aber wie, wenn man sich doch so kraftlos fühlt und alles sinnlos scheint? Der folgende von dem Psychiater und Bestsellerautor David D. Burns empfohlene innere Dialog half mir: »Wenn es mir gelingt, aus dem Bett zu kommen, werde ich mich besser fühlen, auch wenn das zunächst schwer für mich sein mag. Ich bin zwar nicht dazu verpflichtet, aber am Ende bin ich möglicherweise erfreut darüber, dass ich es getan habe.« Diese Art des Umgangs mit sich selbst ist respektvoll und motiviert besser als die »Ich-sollte«-Aussagen, mit denen wir uns nur unter Druck setzen und die wir allzu oft nicht einhalten.
SABINE WEHNER-ZOTT
Große Hilfe: ein Tagesplan
Auch nach dem Aufstehen heißt es, aktiv zu bleiben, um weiter aus der Depression herauszukommen. Denn wenn wir etwas tun, lenken wir uns zumindest zeitweilig von den trüben Gedanken ab, die für die Depression so charakteristisch sind, und das Tätigsein hebt auch tatsächlich die Stimmung ( siehe dazu auch [→] ). Ein gutes Mittel, um sich einerseits nicht zu überfordern und andererseits nicht in Lethargie zu verharren, ist, sich kleine Aufgaben vorzunehmen und zu bestimmten Zeitpunkten zu erledigen. Schreiben Sie dafür zunächst eine Liste mit Aktivitäten, die Sie sich jetzt schon zutrauen. Anfangs genügen einfache Routinearbeiten oder kürzere Freizeitaktivitäten. Planen Sie auch ein, das Haus täglich zu verlassen, etwa für kleine Einkäufe oder einen Spaziergang. Überlegen Sie sich dann, wann Sie was tun wollen, und schreiben Sie einen Tagesplan, zum Beispiel so:
Uhrzeit
Tätigkeit/Aufgabe
7.30
aufstehen, anziehen
8.00 bis 8.30
Frühstück (Müsli)
9.00 bis 9.30
Spaziergang zur
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