Die Seele heilen
entgegengewirkt wird.
Sabine WEHNER-ZOTT
Bewegung und frische Luft
Ich erlebte die Stabilisierungsphase in der Klinik und für mich war das, glaube ich, besser, als wenn ich in dieser Zeit zu Hause gewesen wäre. Denn in der Klinik ist das richtige Maß an Aktivität und Erholung von außen vorgegeben: Therapie, Sport und Erholungszeiten wechseln sich in einem festen Rhythmus ab.
Als ich mich wieder wohler fühlte, ließ ich mir von meinem Mann mein Fahrrad bringen und nahm mir vor, am Nachmittag kleinere Ausflüge zu unternehmen. Anfangs war es mühsam, mich auch tatsächlich aufzuraffen und die gewohnte Klinikumgebung zu verlassen. Aber einmal unterwegs, genoss ich die Bewegung und mit jeder Ausfahrt traute ich mir mehr zu. Und ich hatte dabei auch schöne Erlebnisse. Als mich zum Beispiel auf einem meiner Radausflüge eine ältere Frau fragte, woher ich denn komme, antwortete ich wahrheitsgemäß: »Aus der psychiatrischen Klinik.« »Ach, da sind Sie wohl Ärztin«, sagte sie darauf. Ich ließ sie in dem Glauben und radelte weiter, vergnügt wie schon lange nicht mehr, weil man mir meine Depression nicht mehr »ansah«.
Diese Radausflüge, die frische Luft in schöner Umgebung und die viele Bewegung, die uns von der Klinik verordnet wurde, haben sicher meine Genesung beschleunigt. Die Untersuchungen, die belegen, dass Sport und Bewegung die Heilung einer Depression unterstützen, haben sich in meinem Fall als richtig erwiesen. Deshalb kann ich nur raten: Werden Sie aktiv. Jede körperliche Bewegung hilft, die Depression zu vertreiben.
So tragen Sie zu Ihrer Stabilisierung bei
Die wichtigsten Punkte, die Sie in der Stabilisierungsphase unbedingt beachten sollten:
Nehmen Sie auf jeden Fall weiter die Medikamente, die Ihnen der Arzt verordnet hat.
Ändern Sie auf keinen Fall auf eigene Faust die Dosierung.
Gehen Sie regelmäßig zu den Therapiegesprächen.
Planen Sie Ihren Tag und versuchen Sie, den Plan einzuhalten.
Nehmen Sie sich angenehme Tätigkeiten vor und führen Sie diese aus.
Machen Sie Sport und bewegen Sie sich viel an der frischen Luft.
Loben Sie sich für jeden kleinen Erfolg.
Planen Sie auch Ruhepausen ein.
Versuchen Sie, tagsüber nicht zu schlafen, damit Sie eine ungestörte Nachtruhe haben.
Schreiben Sie weiterhin positive Erlebnisse in Ihr Stimmungstagebuch ( siehe [→] ).
Nach dem Abklingen der Depression heißt es, langsam wieder in den Alltag zurückzukehren. Das ist sehr erfreulich, macht aber vielleicht auch etwas Angst. Es gibt Strategien, die den Wegzurück ins normale Leben immens erleichtern.
SABINE WEHNER-ZOTT
Therapeutische Begleitung
Eine Fortführung der Psychotherapie ist auch nach Abklingen der Depression noch dringend angeraten, da sie den Genesenden bei der Rückkehr in seinen Alltag stützen kann. Mir hatten die Ärzte in der Klinik für die Zeit nach der Entlassung eine tiefenpsychologisch fundierte Behandlung ( siehe [→] ) empfohlen, da ich eine Therapie wollte, die sich auch mit meiner Vergangenheit beschäftigte, um besser verstehen zu können, wie ich der Mensch geworden war, als den ich mich jetzt empfand.
Therapeutensuche
Als ich aus der Klinik entlassen wurde, bekam ich eine Liste von Therapeuten. Sie können Adressen von Psychotherapeuten aber auch über Ihre Krankenkasse, über das Branchenbuch oder über das Internet finden. Um einen Therapeuten zu finden, nahm ich das Angebot der gesetzlichen Krankenkasse an, bis zu fünf Probesitzungen zu bezahlen, bevor ich mich für einen Therapeuten entscheiden musste. Mein erster Versuch war ein älterer Herr, der sich meine Probleme schildern ließ, jedoch nach 20 Minuten anfing, auf die Uhr zu schauen, und mir ab der 30. Minute signalisierte, dass die Zeit langsam zu Ende ging. Er schied schon mal aus. Der zweite Therapeut war ein dynamischer Mittdreißiger, der auf meine Erzählungen von unserem gelegentlich etwas stressigen Familienleben sagte, er hätte auch zwei Kinder, die seien zwar noch klein, aber wenn sie mal groß wären, würde er die und die Situation so und so lösen. Der dritte machte auf mich im Erstgespräch den Eindruck, als müsste er selbst an die Hand genommen und durch die Widrigkeiten des Lebens geleitet werden. Beide kamen für mich nicht infrage. Beim vierten Versuch fand ich meine Therapeutin. Sie wohnt bei uns in der Nähe und ich wusste von ihr, dass sie Kinder im Alter unseres Nachwuchses hatte. Bei ihr fühlte ich mich sofort wohl, da ich das Gefühl hatte, sie verstehe meine Probleme.
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