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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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daß er ein Mandat aus Speyer erwirkt habe. Dies würde nämblich die Kirche ermahnen, die Druden-Processe beßer nach Recht und Gesetz abzuhaltten. Ich mochts damals nit glauben, daß unser Herr Fürst-Bischoff so handeln könnt, hab ihn immer für einen heiligmäßigen Mensch gehaltten. Dennoch hab ich damalß gedacht, lieber Herrgott, Dein Wille geschehe. Wenn mein Vater sich des greulichen Abfalls vom Glauben wircklich schuldig gemacht hat, dann muß auch er gestrafft werden. Denn es stehet ja geschriben: »Wessen Seele sich zu Magyern und Wahrsagern neigt und mit ihnen hurt, gegen die will ich mein Antlitz erheben und will sie vertilgen aus der Schar meines Volckes«.
    Nachlass der als Hexe hingerichteten Goldschmiedin Ursula Marr
    Inventarium der Besitzthümer der Urschel Marrin, so aufgenomen den Mittwoch Oswaldi anno 1629 durch Michel Prießmeyer, Amtsknecht und Johann Schramm, Schreiber.
2 Betten
1 schöns Bett sambt Küssen und Unter Bett
6 Par Leintücher
1 samtens Ärmelröcklein
1 Schleierlein
1 schwarz barchenten Schürzwerck
1 Leib-Binde
2 vergoldete Gürttel
1 durchbrochen Schaube
1 Ring mit Diemanten
1 schwartzer geraffter Rock
1 zwiefarbig damasten Rock
2 samtene schwartze Schürzwercke
1 atlases Mäntelein
1 gefüttert atlases Röcklein, so ins Closter verschafft
1 nagelbrauner doppeltaften Rock
1 golden und schwartz gefüttert seidenbarchent Rockh
1 einfacher Rock aus Zeug für alle Tagk
2 weiße Hauben, eine bös eine gut
1 Spitzenhäublein
1 grün atlasen Rock mit grünen Strickhen
1 silberner Becher, dazu
1 silbern Fläschlein
1 zinnen Becher
1 samten Beuttel
1 kleiner Leder Beuttel
1 silber Kindlein darauff eingravieret » U. M.«
1 klein Truhen, darin 12 Reichs-Thaler, 1 Ducat und 1 Batzen
1 Rosencrantz

Amsterdam, November 1629
    Kinder dürfen da nicht mit!« Energisch schob Johanna ihren Bruder zur Seite, der schon den ganzen Tag quengelte, weil er das große Fest nicht verpassen wollte. Ein Empfang bei der Ostindienkompanie! Kapitäne, märchenhaft reiche Kaufleute, ausländische Händler! Und vielleicht sogar wilde Indianer oder Piraten, die wollte Antoni unbedingt sehen!
    »Du würdest dich doch bloß langweilen«, meinte seine Schwester begütigend. Es war einfach nichts zu machen, und schließlich trollte sich Antoni enttäuscht und ging den Papagei ärgern.
    Johanna atmete auf. Endlich hatte sie Ruhe, um ihr wunderschönes neues Kleid anzuziehen, das mit dem glänzenden schwarzen Mieder und dem meerblauen, weit schwingenden Rock. Die Taille war nach der neuesten Mode weit oben angesetzt, und mehrere Lagen Unterröcke ließen das Kleid herrlich bauschig und aufgeplustert aussehen. Die Spitzenärmel warfen ihre Falten elegant bis über die Ellbogen, und der kleine runde Kragen umschmeichelte den Ansatz ihrer Brüste. Sorgfältig steckte Johanna mit langen Haarnadeln das schmalkrempige Seidenbarett fest, das heute die alltägliche Haube ersetzte, und zupfte kokett ein paar kurze Haarsträhnen in die Stirn. Am Schluss legte sie noch die zarte Perlenkette um den Hals, die ihr die Tante für diesen Abend geliehen hatte. Und jetzt kam das Besondere: Schon am Tag vorher hatte sie in der Apotheke den Albarello mit Cochenille aus dem Regal geholt und ein paar der winzigen getrockneten Läusekörper im Mörser zu Pulver gestoßen. Mit Öl, etwas Honig und heißem Wachs gut vermengt ergab sich daraus eine weiche, rosenrote Paste, die sich Johanna nun auf die Lippen tupfte. Voll Freude über ihre Erfindung sah sie ihr Gesicht im Spiegel an: Ihr Mund sah größer und voller aus und bildete einen schönen Kontrast zu ihrer samthellen Haut. Zum ersten Mal seit langer Zeit fand sie sich wieder hübsch. Wenn nur erst ihre Haare wieder länger wären …

    Das Fest fand im Gebäude der Ostindienkompanie statt, das an der Ecke der Oude Hoogstraat am Kloveniersburgwal lag. Aaltje und ihr gottlob gesund zurückgekehrter Mann begrüßten die Gäste schon am Eingang des großen Saales. Johanna betrat den Raum am Arm ihres Cousins, der sichtlich stolz auf die Dame an seiner Seite war. Beflissen holte er für sie einen Pokal mit bernsteinfarbenem Malvasier und führte sie überall herum.
    »Heute Abend ist alles da, was in Amsterdam Rang und Namen hat«, erzählte er gutgelaunt. »Sieh nur dort, der große dünne Kerl mit der Hakennase – das ist Hendrick Uylenburgh, der bekannte Kunsthändler. So jung und schon so reich! Man sagt, er ist Mennonit. Ach, und das da drüben ist John

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