Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
davon?«
Zeventien zuckte die Schultern. »Wenn, dann in einem der Lagerhäuser der Gesellschaft. Ich kann mich erkundigen, wenn Ihr wollt.«
Johanna nickte aufgeregt. »Bitte. Ich denke, mein Onkel würde gern etwas davon kaufen.«
»Ach, Rijckleff, zeig Johanna doch das lustige Hüpfding, das du mitgebracht hast.« Das war Aaltje, die gerade mit einem Pastetchen in der Hand hinter ihren Mann getreten war. Der lachte, stand auf und zog etwas Kleines, Rundes aus seiner Hosentasche. Dann ließ er es aus der Hand auf den Boden fallen. Johanna schrie vergnügt auf, als das dunkelbraune Ding wie von Geisterhand getrieben wieder hochsprang und sich einfangen ließ. Ein paar Gäste kamen näher heran, um zuzusehen, und der Kapitän wiederholte den Trick noch mehrere Male. »Die Eingeborenen nennen diese außergewöhnliche Substanz Cahutschu«, erzählte er. »Das heißt so viel wie ›Baumtränen‹. Es ist ursprünglich eine milchige Flüssigkeit, die aus ganz bestimmten Bäumen durch Schnitte in die Rinde abgezapft wird.«
»Was kostet dieses Cautschu, und was fängt man damit an? Wer könnte ein Interesse daran haben?«, fragte ein älterer Herr mit lockigem Haarkranz, und sofort begannen die Leute zu diskutieren. Das sind die Niederländer, dachte Johanna im Stillen bei sich, sofort überlegen sie, wie sich am besten Profit aus einer Sache schlagen lässt. »Es ist doch ein wunderbares Spielzeug«, warf sie ein. »Denkt doch nur, wie sich Kinder an solch einem selbstspringenden Ball freuen könnten!«
Der Gedanke wurde von der Allgemeinheit schnell wieder verworfen, und Johanna gesellte sich schließlich zu den anderen jungen Damen, die in einem Nebenraum zusammensaßen.
Als es auf Mitternacht zuging, begann sich das Gebäude der Ostindienkompanie langsam zu leeren. Nachdem Onkel und Tante schon länger gegangen waren, spazierten Pieter und Johanna alleine am Kloveniersburgwal entlang. Pieter hatte es abgelehnt, sich von einem Diener heimleuchten zu lassen, und lieber selber nach der Laterne gegriffen.
Über der Gracht waberte der Nebel. Kälte und Feuchtigkeit hatten das Kopfsteinpflaster glitschig werden lassen, und Johanna glitt mit ihren feinen Schnürstiefelchen ein paar Mal aus, bis schließlich Pieter ihren Arm wie selbstverständlich unter seinen schob. Eine Zeitlang liefen sie stumm nebeneinander, hörten auf das leise Plätschern der Flut und die Geräusche der Nacht. Als sie in Richtung Achterburgwal einbogen, brach plötzlich mit lautem Krachen ein Schwein hinter einem Mäuerchen hervor und galoppierte quiekend vor ihnen durch die Gasse, dicht gefolgt von einem kläffenden Straßenköter. Die Sau riss in ihrer Not einen Handkarren um und verschwand hakenschlagend in einer Seitengasse, während der Hund die Abzweigung verpasste. Er bremste, schlitterte jaulend ein ganzes Stück auf allen vier Pfoten dahin, warf sich schließlich herum und jagte dann weiter hinter dem Borstenvieh her. Jemand fluchte zum offenen Fenster hinaus. Die beiden jungen Leute lachten.
»Johanna«, begann Pieter, »ich wollte dir lang schon sagen, wie schön es ist, dich hier in Amsterdam zu haben. Das denken auch meine Eltern.«
Sie lächelte. »Ich bin froh, dass ich bei euch sein darf. Und der Toni natürlich auch. Er lernt so viel bei dir in der Apotheke. Ich wollte, ich könnte euch ein bisschen von euerer Großzügigkeit zurückzahlen.«
»Das tust du doch schon die ganze Zeit. Seit du in der Offizin hilfst, kommen viel mehr Leute. Sie mögen es, wie du sie bedienst, und manche deiner Rezepturen werden inzwischen schon von anderen Apothekern nachgemischt. Und mir macht die Arbeit auch viel mehr Spaß, seit du da bist. Wir passen einfach zueinander, findest du nicht? Weißt du, ich habe mich nicht nur an dich gewöhnt, sondern ich habe dich liebgewonnen, genau wie meine Eltern. Und noch viel mehr.« Er nahm ihren Arm ein bisschen fester. »Was ich eigentlich sagen will, liebe Hanna, ist, dass wir alle glücklich wären, wenn du bliebest. Als meine Frau.«
Johanna verschlug es einen Augenblick lang die Sprache. Natürlich, sie mochte ihren Vetter, war gern mit ihm zusammen, aber sie wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass er in ihr mehr sah als nur eine Verwandte. »Pieter, ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist eine rechte Überraschung. Ich meine … «
»Lass dir Zeit, meine Liebe. Ich will dich nicht drängen. Es ist mir schon klar, dass ich viel von dir verlange – es würde bedeuten, dass
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