Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Parkinson, ein englischer Gelehrter, der die verschiedenen Tulpensorten erforscht. Bei ihm steht Mefrouw van der Heuvel – unter uns: eine eingebildete Ziege. Aber sie besitzt den schönsten Garten der Stadt.«
So ging es in einem fort. Bald schwirrte Johanna der Kopf vor lauter unbekannten Namen, und der Wein tat das Seinige. Sie kam sich ganz klein vor inmitten all der großen und berühmten Leute. »Schau, am Fenster«, drang wieder Pieters Stimme an ihr Ohr, »da steht Meister Lastman. Er malt die besten Historienbilder in ganz Holland. Komm, wir gehen hin.«
Lastman lächelte, als er Pieter erkannte. Schließlich hing eines seiner Gemälde in der Apothekersdiele, eine Verarbeitung des Themas ›Demeter und die fruchtbare Erde‹. Er verbeugte sich vor Johanna, die höflich ihre Bewunderung für seine Kunst zum Ausdruck brachte. »Darf ich Euch einen ehemaligen Schüler vorstellen?«, fragte Lastman und deutete dabei auf den jungen Mann neben sich. Er mochte vielleicht zwanzig Jahre alt sein, ein schmächtiger, blasser Lockenkopf mit kleinen schwarzen Maulwurfsäuglein und Knubbelnase. Johanna fielen seine eher dicklichen Finger auf, die so gar nicht zu einem Maler passen wollten. »Rembrandt Harmenszoon van Rijn aus Leiden. Ein hoffnungsvolles junges Talent.« Der junge Maler musterte Johanna so ungeniert, dass sie rot wurde. So hatte sie schon lange kein Mann mehr angesehen.
Pieter hatte van Rijns Blick bemerkt und zog Johanna schnell weiter. Irgendwann landeten sie in einem kleinen Kreis von Leuten, die sich um einen älteren Herrn ganz in Schwarz scharten, der eifrig redete. »Mijnheer Peter Minuit von der Westindienkompanie«, flüsterte Pieter ihr zu. Der Mann gestikulierte beim Erzählen so wild, dass er sich beinahe selber den hohen, konischen Hut vom Kopf fegte. »Und da stand ich nun«, sprach er und legte die Stirn in Falten, »mir gegenüber dieser Häuptling der Algonkin-Indianer, halb nackt, nur mit Lederzeug bekleidet, die Haare in Zöpfen bis auf die Brust. Um ihn herum ein ganzer Haufen Wilder, alle bewaffnet mit Messern, Pfeilen und Bögen.« Die Damen gaben kleine Laute des Erschreckens von sich, auch Johanna. »Aber ich wusste, ich musste dieses Geschäft machen«, fuhr der Direktor der Kolonie in der Neuen Welt fort. »Schließlich war Neu-Amsterdam ein blühender Ort mit gutem Klima und schönem Hafen, das Zentrum des Handels mit Fellen und Tabak. Das Problem war nur: Ich hatte gerade einmal Waren im Wert von lächerlichen sechzig Gulden anzubieten.« Die Zuhörer schüttelten ungläubig den Kopf, während Minuit Beifall heischend die Arme ausbreitete. »Ja, und dann habe ich so lang und so hartnäckig verhandelt – natürlich hatte ich einen braven indianischen Übersetzer dabei –, bis der Häuptling nachgab und mir die Insel ›Manna-hatta‹ verkaufte.« Alle klatschten Beifall. Eine unglaubliche, eine freche Transaktion, wie sie wohl nur ein gewiefter niederländischer Geschäftsmann schaffte!
Dann wurde zum Tanz gespielt. Johanna und Pieter reihten sich fröhlich ein. Es war herrlich, so unbeschwert die Musik zu genießen. Johanna mochte gar nicht mehr aufhören, und als Pieter seiner Leibesfülle Tribut zollen und Pause machen musste, ließ sie sich nur zu gern von etlichen anderen jungen Herren auffordern. Endlich landete sie bei Rijckleff Zeventien, Aaltjes Mann, der sie mit an den Tisch der Gastgeber brachte und wohl zum hundertsten Mal an diesem Abend erzählte, wie der Sturm sein Schiff ans Ufer einer unbekannten Insel verschlagen hatte, wo sie, von Skorbut geschwächt, drei Monate gebraucht hatten, um es wieder fahrtüchtig zu machen.
»Was hatte der Kahn denn geladen?«, fragte einer der Händler, die mit dabeisaßen.
»Hauptsächlich Holz und Rohsilber, dann Kakaonüsse, Gewürze und einige Gemüsepflanzen, die natürlich alle eingegangen sind. Dazu noch etliche Arzneien. Guajacum, Aloe, Tolu, Sassafras, Jalape, Fieberrinde.«
Johanna ließ das Glas sinken, das sie gerade an die Lippen gehoben hatte. »Fieberrinde?«
Der Kapitän nickte. »Ja, die Rinde eines ganz bestimmten Baumes, den Namen weiß ich nicht mehr. Die Spanier und Portugiesen in der Neuen Welt leiden häufig unter einer Art von Wechselfieber. Lange konnte man nichts gegen die hitzigen Anfälle tun, bis die Jesuiten dort von Eingeborenen lernten, diese besondere Rinde feingemahlen als Medizin zu verwenden. Deshalb nennt man das Rindenmehl auch Jesuitenpulver.«
»Habt Ihr noch etwas
Weitere Kostenlose Bücher