Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
ausgeräumt, nur im Regal lag ein von den Mäusen angefressenes Säckchen mit getrockneten Linsen, und auf dem Boden stand noch ein Korb mit verschimmelten Zwiebeln, der längst nicht mehr roch.
Hans führte das Mädchen in den ersten Stock, zeigte ihr das Dienstbotenkämmerchen, das Wäschekabinett, das Schlafzimmer, in dem ein wurmstichiges Himmelbett den meisten Platz einnahm. Mäuse huschten überall; sie hatten schon lang das Regiment im Haus zum Blauen Löwen übernommen. In einer Kammer neben dem Abtritt fanden sie zwei kleine Kinderbettchen, einen zerbrochenen Stuhl und mehrere leere Truhen. Auf einer davon stand eine Puppenküche mit liebevoll geschnitzten Möbeln und winzigen Tellern und Krügen, die geschickte Finger aus Ton oder Glasfluss geformt hatten.
»Wo mögen die armen Kinder der Zieglerin wohl hin sein?«, fragte Maria.
Schramm zuckte die Schultern. »Wer weiß?« Er wirbelte mit dem Ärmel Staub von einem der Kinderbetten auf, und Maria bekam einen Niesanfall.
Später standen sie wieder vor dem Haus.
»Gefällt’s dir?« Schramm klopfte sich den Staub aus den Kleidern. »Ich hab’s gestern gekauft.«
»Warum hast du mir das alles gezeigt?« Sie verstand immer noch nicht.
»Weil ich dich etwas fragen will.« Er ergriff ihre Hände und wurde ernst. »Maria Dietmayer, kannst du dir vorstellen, hier mit mir zu leben?«
Sie sah ihn ungläubig mit großen Augen an, in ihren Haaren glänzte die Sonne, die sich in diesem Augenblick ihren Weg durch die Wolken gebahnt hatte. Für Schramm sah sie aus wie eine kindliche Heilige.
»Nun sag doch was«, drängte er. »Willst du mich heiraten?«
Sie schlug die Augen nieder und zog ihn mit sich zu der leeren Pferdetränke an der Hausecke. Er setzte sich neben sie auf den Rand des steinernen Trogs.
»Hans, ich will dich mit Freuden nehmen. Aber … bist du mir denn wirklich gut?«, fragte sie. »Denn ich hab gehört, dass du mit der Johanna von der Apotheke verlobt bist. Sogar das Aufgebot habt ihr schon bestellt.«
Er lächelte. »Das ist doch lang vorbei. Sie stand unter dem Verdacht, eine Hexe zu sein. Da konnte ich die Verbindung schlecht aufrechterhalten, wo ich doch eine wichtige Aufgabe bei den Prozessen erfüllen muss.«
»Hast du damals die Verlobung gelöst?«
Er wand sich. »Nun, ich hab nicht mit ihr oder mit ihrem Vater gesprochen, aber das war doch wohl selbstverständlich, dass es keine Hochzeit mehr geben würde … «
Gedankenverloren zupfte sie eine Weile an den Zipfeln ihres Schultertuchs, dann legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Hans, ich bitt dich, ich möcht, dass alles seine gute Ordnung hat. Ich könnt nicht glücklich werden, wenn du mit dieser Frau nicht im Reinen bist. Geh hin zu ihr und lös euren Bund, wie es sich gehört. Dann will ich dir gern angehören, ganz und gar.«
»Aber das ist doch alles gar nicht mehr nötig. Das Aufgebot ist längst verjährt.«
»Tu’s für mich«, bat sie. »Für uns. Dann kann ich dich mit gutem Gewissen zu meinem Schatz nehmen.«
Sie ist doch das beste, anständigste Geschöpf unter allen Menschen, dachte Schramm. Es war ihm weiß Gott unangenehm, zu Johanna zu gehen, aber für dieses himmlische Wesen würde er es tun. Er seufzte. »Wenn du es so sehr möchtest, Maria, dann geh ich gleich hin. Und heut Abend will ich mit deinem Vater reden.«
Sie atmete erleichtert auf, sah sich kurz um, ob jemand in der Nähe war, und hielt ihm dann die gespitzten Lippen entgegen. »Du darfst mir jetzt einen Kuss geben«, hauchte sie und wurde dabei rot.
Er nahm sie bei den Schultern und küsste sie mit dem Gefühl des Triumphes. Sie würde ihm gehören, die Tochter des Bürgermeisters würde ihn heiraten! Er hatte alles richtig gemacht!
Dann stand er auf und schlug den Weg zur Mohrenapotheke ein.
Johanna kniete im Kräutergarten, lockerte Erde und schnitt abgefrorene Rosmarinzweige zurück. Antoni hatte ihr eigentlich helfen sollen, trieb sich aber irgendwo im Garten herum, wie immer, wenn man ihn brauchte. Vermutlich saß er an seinem Lieblingsplatz beim Hasenstall. Johanna mochte ihn nicht schelten. Seit der Rückkehr nach Bamberg an Weihnachten hatte er sich jede Nacht in den Schlaf geweint; erst als er erfahren hatte, dass sein Vater lebte und zu Nürnberg in Sicherheit war, war er wieder der lebhafte und lustige Kerl wie früher, und Hanna war glücklich darüber. Auch sie selbst war unendlich erleichtert und hatte sich Mühe geben müssen, dies nicht zu zeigen, als die Stadtknechte
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