Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
doch nicht an einen armen Schlucker wegwerfen, der nichts ist und dir nichts zu bieten hat.«
Maria sah Schramm hilflos an und brach dann in Tränen aus. »Aber ich liebe ihn doch«, schluchzte sie.
»Ja, ja, die Liebe! Die kommt mit der Zeit, das ist schon immer so gewesen.« Dietmayer legte seiner Tochter tröstend den Arm um die Schulter. »Schau, deine Mutter und ich waren glücklich und zufrieden, bis sie gestorben ist, Gott hab sie selig. Aber damals, als sie mich hat heiraten sollen, da hat sie mich nicht gewollt. Unsere Eltern haben alles beschlossen, wie’s halt immer schon Brauch war. Eltern wissen am allerbesten, was gut für ihre Kinder ist.« Er legte den Zeigefinger unter ihr Kinn und hob es an, damit sie ihn ansehen musste. »Du wirst mir noch einmal dankbar sein, Kind. Und Ihr«, wandte er sich an Schramm, »Ihr schlagt Euch die Sache aus dem Kopf und sucht Euch eine, die zu Euch passt. Nichts für ungut, mein Lieber, aber meine Maria kann ich Euch nicht geben.«
Schramm presste die Lippen zusammen und verließ mit bleichem Gesicht und steifen Schritten das Zimmer. Noch nie hatte ihn jemand so gedemütigt. Wut und Enttäuschung kochten in ihm, als er die Haustür mit lautem Krachen hinter sich zuschlug. Dieser Dietmayer war nichts als ein hochfahrender Wichtigtuer, ein aufgeblasener Sack! Einer, der sich selbst überschätzte, der niemals Bürgermeister geworden wäre, wenn die andern nicht auf dem Scheiterhaufen geendet hätten!
In den nächsten beiden Stunden lief Schramm ziellos durch die Stadt. Jeden, der ihm begegnete, bedachte er mit einem finsteren Blick, und eine der braungetigerten Katzen vom Fischmarkt, die ihm zu nahe kam, bekam einen Tritt ab. Es dauerte lange, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ging er endlich nach Hause. Er hatte schon die Hand auf dem Türgriff, als er plötzlich stockte. Ihm war da etwas in den Kopf gekommen. Rasch kehrte er wieder um und machte sich auf den Weg in die Schreiberei. Hier lagen in einer Truhe die Abschriften sämtlicher Protokolle, Urteile und Geständnisse. Zielstrebig begann er, die Papiere der letzten zwei Monate nach dem Namen Dietmayer durchzusehen, und am Ende hatte er gefunden, was er gesucht hatte: Die Urgicht des alten Junius. Schramm hatte sich nicht getäuscht. Da stand er, schwarz auf weiß, in der Handschrift des Zweiten Schreibers: der Name Dietmayer.
Auf Schramms Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Noch war nicht alles verloren …
Bamberg, April 1630
Sie kamen durchs Sander Tor herein, ein bunter Haufen Zigeuner und Spielleute, lärmend und tanzend. Ihre Wagen mit den flatternden rot-gelben Fahnen wurden von struppigen Pferdchen gezogen, hinterher trabte meckernd eine kleine Ziegenherde. Der farbenprächtige Zug bahnte sich seinen Weg durch die Stadt, am Sand entlang, über die Untere Brücke bis auf den Grünen Markt, wo die Fahrenden ihr Lager aufschlagen wollten. Weil sie der Büttel jedoch vertrieb, zogen sie an Sankt Martin vorbei bis zum Saumarkt. Dort erlaubte man ihnen, zu bleiben.
Alles, was in Bamberg Beine hatte, rannte sogleich zusammen, um die Ankömmlinge neugierig zu beäugen. Fahrendes Volk in der Stadt, das versprach Unterhaltung und Frohsinn, Ablenkung von den Sorgen des Alltags, vielleicht wohlfeile Weiber, Tanz und Gesang. Es bedeutete aber auch meist Diebstahl, Raufereien, üble Tricks und Spiel mit gezinkten Karten. Die ganz Vorsichtigen unter den Bürgern versteckten ihr Geld, holten schon einmal die Wäsche von der Bleichwiese und die Kinder ins Haus.
Ein wildes, beinahe ein wenig unheimliches Völkchen war das, fremdartige Leute mit rabenschwarzem Haar, dunkel getönten Gesichtern und blitzenden schwarzen Augen. Auf dem Leib trugen sie grellfarbige Kleider mit Flicken und Bändern, eingenähten Glöckchen und Schellen. Unanständig geradezu, wie manchem jungen Weib schier der Busen aus dem Mieder hing, mit welch feurigen Blicken die Männer die anständigen Bürgersfrauen bedachten. Einen Tanzbären führten sie mit sich, ein recht jämmerliches, räudiges Vieh, dem sie Klauen und Zähne herausgezogen hatten. Einen Pfau, der mit ruckendem Kopf in seinem Käfig hockte, das schillernde Schwanzgefieder mit einem Tuch zusammengebunden. Und ein Hündchen, das allerliebst auf den Hinterbeinen stehen und mit zusammengelegten Vorderpfoten betteln konnte.
Geschäftig begannen die Zigeuner, ihr Lager einzurichten. Sie räumten den Schweinedreck mit Reisigbesen
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