Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Hauptsmoorwaldt genannt hatten, also nannt ich diße Ortte auch. Darnach sollt ich sagen, was ich für Leut allda gesehen hätt. Ich sagte, ich hätt sie nit gekannt. Du alter Schelm, ich muß dir wol den Hencker auf den Halß schicken! Sag, ist der Apothecker nit dabey geweßen? So sagt ich ja. Wer noch? Ich hätt keinen von ihnen gekannt. Da sagten sie: Geh eine Gass nach der andern durch; beginn am Marcktplatz. Da hab ich etlich Person nennen müßen. Dann kam die Lange Gaß. Ich kannte niemands, hab aber doch achtt Leutt von dort angeben müßen. Es folgte der Zinckenwörth, dann von der Obern Brücke zum Georgthor. Da haben sie mich dem Hencker übergeben, der mußt mich außziehen, mir die Haar abschneyden und mich auf die Torthur ziehn. Dann haben sie mir den Dietmayer vorgesagt und ich hab ihn angeben müßen.
Dann sollt ich gestehen, welche Übelthaten ich angericht hätt. Ich erwiderte: Keine. Da zogen sie mich noch einmal auff. Alßo hab ich anggeben, ich hätt ein Pferdt getötet. Doch das hat nit gereicht. Ich gab an, ich hett ein Hoßtien genommen und in die Erden eingegraben. Wie ich dies geredet, da haben sie mich zufriden gelaßen.
Mein hertzliebs Kind, nun hast du alle meine Aussag und Verlauf, darauf ich sterben muß. Und wenn Gott kein Mittel schickt, daß die Sach recht an den Tagk kommt, so wirdt die gantz Schwägerschaft verbrennt. Kindt, ich weiß daß du so fromm bist wie ich. So hastu wohl eben schon etlich Pein, und wann ich dir raten soll, so sollst du nimm vom Geldt und von den Wechseln, und begib dich auf ein Wallfahrt oder wohin Du sonsten außerhalb des Stiffts hingehn kannst, biß man siehet, wie es hier weitergehet. Dießes Schreiben haltt verborgen, damit es nit unter die Leut kommt, sonst werd ich so gemarttert, daß es zum Erparmen ist, und es würden die Wechter geköpfet. So streng ist es verboten. Um des jüngßten Gerichts bitt ich Dich, bet für mich, Deinen Vater, der warhaftig ein Martyrer ist. Auch Dein Schwester Anna Maria laß für mich beten. Ich sterbe gefaßt.
Guter Nacht, denn dein Vatter Johannes Junius sieht Dich nimmermehr.
Am 14.Februar des Jahres 1630.
Bamberg, März 1630
Ich muss dir was zeigen!« Hans Schramm griff nach Marias Hand und zog sie vom Schönen Brunnen weg in die Lange Gasse hinein.
»Hans, nicht! Was sollen bloß die Leute sagen?«, protestierte Maria, ließ sich aber dann doch kichernd weiterziehen. Wie so oft in der letzten Zeit, hatten sie sich mittags auf dem Marktplatz getroffen, um spazieren zu gehen. Züchtig war es bei diesen Spaziergängen zugegangen, nie hatte er versucht, ihr zu nahe zu treten. Denn sie war ja ein Engel, das reinste Wesen, das ihm jemals begegnet war. Fast ein Kind noch, unschuldig und zart. Er hatte lange gewartet, sich viel überlegt, geplant und seine Vorkehrungen getroffen. Heute, so hatte er beschlossen, war der rechte Tag.
In der Langen Gasse war nicht viel los. Es schien, als würden die Menschen die Örtlichkeit meiden, in der so viele Druden und Unholde gewohnt hatten. Die Geschäfte waren ohnehin fast alle leer, und selbst die bewohnten Häuser machten einen verschlossenen, abweisenden Eindruck. An vielen Stellen wuchs an den Straßenrändern das Gras, weil schon lange keiner mehr kehrte und jätete.
Schramm blieb schließlich vor einem der verlassenen Häuser stehen. Vom Sims der verschlossenen Doppeltür brüllte als Hauszeichen ein blau ausgemalter Löwe zähnefletschend auf das junge Paar hinab und hob drohend seine krallenbewehrte Pranke.
»Schau!«, sagte Schramm stolz und wies mit ausgebreiteten Armen auf das Gebäude.
»Das Haus zum Blauen Löwen. Was ist damit?«
»Es hat der Margreth Zieglerin gehört«, erklärte er. »Die ist schon vor zwei Jahren als Drud verbrannt worden. Seitdem steht es leer.«
»Ja und?« Maria lachte ihn unbeschwert an.
»Komm mit!« Er holte einen riesigen Bartschlüssel aus seiner Tasche und sperrte auf.
Drinnen sah es beinahe aus, als ob der Besitzer nur auf einen Augenblick fortgegangen sei – wenn nicht eine dicke Staubschicht auf allen Dingen verraten hätte, dass hier schon lang niemand mehr gewesen war. Es roch muffig und modrig, nach Schimmel und Katzenkot. In der Küche standen noch gebrauchte Schüsseln und Becher herum, die man nicht mehr weggeräumt hatte. Ein vertrockneter Blumenstrauß in einer Vase zierte den Esstisch. Auf dem Herd fanden sich noch die Reste des heruntergebrannten Feuers, daneben die tönerne Ofenglocke. In der Speis war fast alles
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