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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Dorothea. Ganz fest nahm sie Veronika in die Arme. »Ist er dabei?«, fragte diese tonlos. Und gab sich selbst die Antwort. »Er ist dabei, o Gott … « Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    Die drei Frauen sahen zu, wie man die vier Delinquenten vom Karren holte und vor den Richtertisch stellte. Es waren drei junge Frauen, geschoren und noch blutig von der Folter, zwei von ihnen konnten kaum stehen, und Johannes Junius. Der Bürgermeister wirkte gefasst, wenn auch um Jahre gealtert. In der Haft war ihm ein langer Bart gewachsen. Suchend sah er sich in der Menge um.
    »Vater!«, schrie Veronika, »hier!«
    Er blickte sie an, hob eine in Ketten gelegte Hand und brachte gar ein Lächeln zustande. Sie wollte zu ihm laufen, aber sofort war einer der Wächter bei ihr und hielt sie mit Gewalt zurück. Dann gab ein Schöffe dem Gerichtsboten ein Zeichen. Der dürre Alte, der bis dahin zusammengesunken auf einem Hocker gekauert hatte, entfaltete sich langsam wie ein Fächer, stellte sich vor die Menge hin und eröffnete mit ein paar Sätzen die Verhandlung.
    Es dauerte fast eine Stunde, bis das Urteil verkündet war, eine nicht enden wollende Ewigkeit. Ganz zum Schluss stand der Richter noch einmal auf, ein kleingewachsener, hellhäutiger, rothaariger junger Mann, der aussah, als habe er die zwanzig kaum überschritten. Umständlich faltete er ein Blatt Papier auf, räusperte sich ausgiebig und begann zu lesen. Als er bei den Worten »mit dem Schwert vom Leben zum Tode hingerichtet« ankam, fing Veronika Junius an, hemmungslos zu schluchzen. Wenigstens diese Erleichterung hatte man ihrem Vater gewährt, ein letztes Geschenk. Der Richter sah sie mit tadelnder Miene an.
    Dann kam die übliche Prozedur. Die Delinquenten hatten Gelegenheit zur Beichte und sprachen die Formel, mit der sie dem Henker sein Werk an ihnen verziehen. Zwei der Frauen wurden gleich auf dem Scheiterhaufen angekettet, während die Stadtknechte Junius packten und mit klirrenden Ketten zum Rabenstein führten, dem Richtblock. Dann ging alles ganz schnell. Sie drückten den Bürgermeister auf die Knie und seinen Oberkörper nach vorn, bis der Kopf auf dem Stein lag. Der Scharfrichter, diesmal in Blutrot gekleidet, hob den riesigen alten Bihänder hoch. Das blanke Schwert blitzte in der Sonne. Und dann sauste es mit aller Gewalt nieder. Funken stoben, als die Schneide über den Stein glitt, nachdem sie Junius’ Hals durchtrennt hatte. Mit einem dumpfen Geräusch fiel der Kopf auf den Boden und rollte noch ein kleines Stück, bevor der Henkersgehilfe ihn an den Haaren packen und der Menge zeigen konnte.
    Veronika wankte. Heinrich Flock und Cornelius hatten sich derweil durch die Menge gedrängt und die drei jungen Frauen erreicht, gerade rechtzeitig, um die Bürgermeisterstochter aufzufangen, als die Knie unter ihr nachgaben.

    Später, als der Scheiterhaufen schon eine Zeitlang brannte, begannen die Leute, einer nach dem anderen heimzugehen. Es blieben nur die Freunde und Verwandten der Hingerichteten und der Henker mit seinen Helfern. Die Herren von der Justiz erhoben sich einer nach dem anderen und ordneten ihre Roben. Wie es nach jedem endlichen Gerichtstag Sitte war, würden sie nun in einer der Bamberger Wirtschaften auf Kosten der Verurteilten das gemeinsame Gerichtsmahl einnehmen.
    Johanna und die anderen standen immer noch an dem kleinen Zaun und sahen auf die lodernde Brandstatt. Die Hitze, die das Feuer abstrahlte, ließ ihre Wangen rot glühen. Hin und wieder warf der Henkersgehilfe neues Holz nach. Es war ein windstiller Tag, und der schwarze Rauch stieg senkrecht in den hellblauen Himmel. Der Geruch nach verbranntem Fleisch war unerträglich.
    »Welche Wirtschaft ist denn heute dran?«, fragte beiläufig eine Stimme hinter Johanna. Sie drehte sich um; es war der Malefizkommissar Vasold.
    »Das Eichhorn, glaube ich.« Herrenberger, der neben seinem Kollegen stand, pustete ein Rußteilchen von seinem weißen Spitzenärmel.
    »Oh!« Vasold hob erfreut den Kopf. »Da gibt’s immer die besten Brathühner. Es geht doch nichts über einen feinen Kapaun, was, Collegae?«
    Schwarzcontz, der auch hinzugekommen war, pflichtete ihm bei. »Früher«, versetzte er, »da hat man den Hähnen die Geilen mit glühenden Eisen ausgebrannt. Heute schneidet man, da sterben nicht mehr so viele. Nach dem ersten Krähen werden die jungen Viecher eingesperrt und bekommen einen Tag lang nichts zu fressen und zu saufen. Dann schlitzt man ihnen den Bauch mit einem scharfen

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