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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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und Sterndeuter Deodatus nannte, verteidigte sich. »Aber gerade deshalb, Liebwürden, ruft man mich an die Fürstenhöfe in aller Herren Länder, eben weil ich nicht nur die Sterne befrage, sondern aus ihnen auch Rat für meine Schützlinge ziehe. Und in Eurem Fall sagen mir die himmlischen Konstellationen, dass Ihr Bewegung braucht. Und Abwechslung. Ich habe es Euch bereits erklärt: Euer Aszendent, der Schütze, und das Sternbild der Fische stehen zur Zeit in einem sinnfälligen Bezug zueinander, was bedeutet, dass Euch eine Jagd in Verbindung mit Wasser besonders gut aufheitern kann, eben die Stockentenjagd.«
    »Ich habe noch nie gern gejagt«, schnappte der Fürstbischof.
    »Aber heute wird es Euch Spaß machen«, entgegnete der Astrologe ungerührt. »Ihr werdet sehen. Ich bemerke ja jetzt schon, wie Eure Melancholie einer gewissen, wie soll ich sagen, Hitzigkeit, weicht. Lieber wütend als apathisch, oder?«
    »Hm.« Beinahe fand Dornheim, dass der Mensch recht hatte. In den letzten Monaten war er in eine bleierne Teilnahmslosigkeit verfallen, eine Dumpfheit, die sich wie ein Nebel um ihn gelegt hatte. Jede Bewegung, jedes Wort war wie ein Kampf gegen diese dichte Umhüllung und fiel unendlich schwer. Wenn es besonders schlimm war, geriet er in einen Zustand der Langsamkeit, der Verzögerung. Dann schien ihm, als ob die Zeit zäher flösse und er eingegossen sei in dicken Stundenschleim, der ihn lähmte und auf ihm lastete. Auf Anraten seines Würzburger Vetters hatte er diesen Sterndeuter kommen lassen, und er hatte sich durch ihn nicht nur eine gründliche Analyse seines Zustandes erhofft, sondern auch einen Blick in seine Zukunft. Schließlich bestimmte neben der göttlichen Vorsehung auch der Lauf der Gestirne die Schicksale der Menschen, ja, das Schicksal der Welt.
    »Ich habe gestern den ganzen Tag über Berechnungen angestellt«, begann Deodatus wieder. »Und ich denke, ich kann Euch sicher sagen, dass Euch der Kampf gegen den Teufel bereits stark geschwächt hat. Dieser Kampf kostet Euch weniger körperliche Kraft als vielmehr geistige. Deshalb dieser Erschöpfungszustand, in dem Ihr Euch befindet. Es ist gut, dass Ihr mich geholt habt. Ich werde je nach dem Stand der Sterne beurteilen, was Euch wohltut, um die geschwächten Lebensgeister wieder zu wecken und zu stärken. Und ich sehe in Eurem Horoskop, dass eine Besserung nicht mehr weit ist.«
    Der Fürstbischof warf seinem Berater einen misstrauischen Blick zu. »Seid Ihr sicher?«
    »Aber natürlich. Habt Vertrauen.«
    Der bunte Jagdzug war beim See angekommen, und alle stiegen von den Pferden. Der Hundeführer pfiff leise, und sofort versammelte sich die kleine Meute um ihn, aufgeregt hechelnd, japsend und jaulend. Die Schwalben flogen hoch über dem Wasser, Luftblasen aus Fischkiemen stiegen an die Oberfläche, und Libellen tanzten flirrend in der Sonne. Dornheim sah schon die ersten Enten schwimmen, einen Erpel mit metallisch grünschillerndem Kopf, weißem Halsring und brauner Brust, gefolgt von zwei braungemusterten Weibchen, die zufrieden vor sich hin paddelten und leise quakten. Tatsächlich hatte Dornheim das Gefühl, die nun folgende Jagd könnte ihm seit langer Zeit wieder einmal ein paar angenehme Stunden bescheren. Er rief nach seinem leichten Steinschlossgewehr und hängte sich die seidenbestickte Jagdtasche aus Leder um. Dann stapfte er hinter seinen Jägern her durch das hohe Gras.

    Zwei Stunden und vierzig erlegte Enten später fühlte sich der Fürstbischof zum ersten Mal seit Monaten wieder wohl und gutgelaunt. Er hatte dreizehn Enten selbst geschossen, hatte den Hunden Kommando gegeben, ins Wasser zu springen und die Vögel zu apportieren, hatte aus seiner silbernen ziselierten Jagdflasche Kümmelschnaps getrunken. Er hatte vor Anstrengung geschnauft und gekeucht, hatte sich durchs Schilf gekämpft, hatte gespürt, wie ihm der Schweiß in Bächen den Rücken hinunterlief. Und hatte sich dabei endlich wieder lebendig gefühlt. Sein Gewehr funktionierte wunderbar, überhaupt war es eine herrliche Büchse, ein Meisterstück bayerischer Büchsenmacherkunst mit graviertem Lauf und geschnitzten Jagdszenen auf dem Griff. Fast jeder zweite Schuss war ein Treffer gewesen. Am Ende hatte sich Dornheim vor lauter Daseinsfreude sogar so weit vergessen, dass er dem Astrologen, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet hatte, einen Schluck aus seiner Flasche anbot. Der besaß allerdings noch so viel Sinn für Etikette, dass er höflich dankend

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