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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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sind. Aber alß es umb Pfingsten herumb war, da haben wir jeden Tagk gezittert, wann der nechste Brandt käm und ob denn der Vater dabey sey. Unßer einzig Hoffnungk war, daß der Fürst Bischoff wie schon öffters geschehn, Gnade waltten ließe und dem Vater ein beßern Todt durch das Schwerdt gönnen würd. Ich selbsten hab deßwegen ein Gesuch an ihn gerichttet, nachdem wir vom Todes-Urtheil des Vorgerichts erfahren hatten. Das muß umb Cantate herumb gescheen sein.
Das war dann ein schlimmes Pfingsten, weil umb die Feiertag die Seuche gar arg gewütet hat. Zuschaun müßen, wie die Kinder sterben, und nit helffen können, ja das ist furchtbahr. Manchmal mein ich heut, es war vielleicht die Straffe des Herrn dafür, weil wir alle so langk zugelaßen haben, daß so vil Unschuldige ihr Leben auf der Brandtstatt haben hin geben müssen. Aber hinterher sind immer alle Leutt klüger, obwohl ich nit einmal jetzo, nach all den Jahrn, weiß, was damals richtig oder falsch geweßen wär. Möge darüber der Allmechthige Sein gerechts Urtheil fällen …

Bamberg, Mai 1630
    Pfeifend schlenderte Antoni durch das Tor zum Apothekersgarten, ein paar dünne Stecken in der Hand und einen Beutel aus Tuch über den Rücken geworfen. Es war herrlichstes Maiwetter, lind und lau, obwohl die Eisheiligen kurz vor der Tür standen; überall im Garten blühte es. Allerdings wucherte auch das Unkraut, denn Johanna kam kaum noch zum Jäten. Wenn man von der Hofapotheke absah, die mehr schlecht als recht geführt wurde und wenig Kundschaft hatte, war die Mohrenapotheke der einzige Ort in Bamberg, wo man noch Arzneien bekommen konnte, und dies in der Zeit, da ein Kind nach dem anderen auf den Tod erkrankte. Johanna tat, was sie konnte, um zu helfen, doch nichts schien wirklich anzuschlagen. Gleich zu Anfang der Epidemie hatte sie gegen Cornelius’ Rat ihren kleinen Vorrat an Fieberrinde aus Amsterdam ausgepackt, aber festgestellt, dass die faserige Borke feucht geworden und geschimmelt war. Sie hatte sofort an ihre Freundin Aaltje Zeventien geschrieben, um sich ein ganzes Pfund davon schicken zu lassen, aber das konnte noch Wochen dauern. Deshalb war sie auf den Arzneischatz angewiesen, den die eigene Apotheke hergab, wenn sie damit auch die Krankheit nur lindern konnte. So stand sie an diesem Tag schon seit Stunden in der Arzneikammer, um Hustensalbe und Kräuterzeltchen zu machen.
    »Schau, was ich hab«, grinste Antoni, als er hereinkam. Er öffnete seinen Beutel und ließ Hanna hineinsehen. Sie prallte zurück. Drinnen lagen acht oder zehn tote Meisen und Finken.
    »Hab ich mit Leimruten gefangen«, prahlte Toni. »Der Heiner und ich waren im Wald und haben ausprobiert, ob ein Leim aus zerquetschten Mistelbeeren gut hält.«
    »Heiliger Strohsack!« Johanna sah ihren Bruder ungläubig an. »Ihr seid wohl närrisch, ihr Hundsbuben! Leimruten im Mai! Die Vögel haben jetzt doch Junge! Du, ich hätt gute Lust, dir eine zu langen … «
    Antoni wirkte betroffen. Daran hatte er natürlich nicht gedacht. »Ich wollte ja bloß … ich hab gedacht, wir können die heut Abend braten. Das machen wir ja sonst auch öfters.«
    »Aber nicht im Frühling, herrje!« Sie hörte auf, die dicke Salbe zu rühren und drohte ihrem Bruder mit dem Löffel. »Du als zukünftiger Apotheker solltest mit Misteln was Besseres anzufangen wissen, als damit Vögel zu fangen. Los, erzähl mal, wofür man sie verwenden kann.«
    »Misteln verwendet man … äh, Misteln verwendet man zum … hmm … «
    Johanna trocknete sich die Hände ab, ging in die Offizin und kam mit einem großen, ledergebundenen Folianten zurück. Es war ein altehrwürdiges Buch, und sie blätterte die Seiten vorsichtig um, bis sie die richtige Stelle gefunden hatte. »Das hier«, sagte sie mit vorwurfsvollem Blick, »ist das berühmte Kräuterbuch des Leonhard Fuchs.«
    »Kenn ich«, erwiderte Antoni.
    »Aber du weißt nicht, was drin steht! Hier, lies vor!« Sie schob ihrem Bruder das geöffnete Buch hin. Der fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen nach, während er laut las.
    »Von Mystel. Mystel, welches man auch Affolter nent, würt auff Griechisch Ixos, auff Lateinisch Viscum geheyssen. Wechst auff den Beumen, in sonderheyt aber auff den Eychen und Birnbeumen. Mystel sol im Herbst, so er Beern gewinnt, gesamlet werden. Mystel mit Hartz und sovil Wachß vermischt und übergelegt, zeitiget, verzert, weicht und zeucht zusammen die Ormützel und allerley Geschwulst. Mit Weyrauch vermischt und auff

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