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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Messer auf und nimmt mit zwei Fingern die Hoden heraus.«
    »Ihr seid ja ein wahrer Experte«, keckerte Herrenberger mit seiner weinerlichen hohen Stimme. »Woher kennt Ihr Euch so genau aus?«
    »Mein Schwager hat zu Kitzingen eine Hühnerzucht«, erwiderte Schwarzcontz, »und ich hab öfters schon zugeschaut. Nach dem Schneiden wird die Wunde mit einem Faden zugeheftet und mit Butter beschmiert. Dann trennt man Kamm und Bart ab. Und dann wird gemästet, mit Kleie.«
    »Entschuldigt, wenn ich mich einmische«, unterbrach einer der Schöffen das Gespräch. »Aber Kleie ist nicht so gut. Am besten schmecken die Kapaune, wenn man sie mit Hirsemehlklößchen oder milchgetränkten Semmelkrumen mästet.«
    »Oder wie in Polen, mit Starkbier und Brot.« Das war wieder Vasold, der jetzt mit beiden Händen wedelte, weil ein Rauchschwaden an seinem Gesicht vorbeizog.
    »Auf jeden Fall soll das alles, so hört man, möglichst bei abnehmendem Mond und heiterem, stillem Maiwetter geschehen, noch vor der großen Sommerhitze«, fuhr Schwarzcontz fort. »Wenn der Schnitt gut gelungen ist, kräht der Kapaun nie wieder, gerät aber später besonders zart im Fleisch und wohlschmeckend kräftig im Geschmack.«
    Vasold leckte sich in Erwartung des knusprigen Brathuhns die dünnen Lippen. »Eine unserer Hexen hat ja behauptet, Kapaun sei gut gegen Gifte aller Art … «
    »Stimmt, das war die, die im Herbst nach dem Kalkbad gestorben ist.«
    »Ach, ist sie das?« Schwarzcontz runzelte die Stirn.
    »Ja, der Henker hat sich damals noch darüber erstaunt, weil die doch sonst so viel ausgehalten hat.«
    »Überhaupt halten die Weiber bei der Folter durchwegs mehr aus als die Männer. Da muss man sich doch wundern … «
    »Aber verbrennen tun sie schneller«, bemerkte Vasold.
    Herrenberger warf einen fachkundigen Blick zum Scheiterhaufen hinüber. »Na ja, weil sie eben kleiner sind«, gab er zurück. »Wollen wir?«
    Die Kommissare wandten sich zum Gehen. Johanna fühlte sich, als ob ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt hätte, ihr war übel und schwindlig. Stumm sah sie Cornelius an, dessen Miene Abscheu und Wut widerspiegelte. Dann blickten sie auf Veronika Junius, die seit dem Anstecken des Feuers ihre Augen keine Sekunde lang vom Scheiterhaufen gelassen hatte. Es krachte, barst und knisterte; eine rotglühende Funkenwolke stob hoch, als ein Teil der Brandstatt in sich zusammenfiel.
    »Er wird kein Grab haben«, sagte Veronika leise. »Und ich keinen Platz, an dem ich ihn besuchen kann.«

Am See in der Breitenau, Juni 1630
    Verließ man Bamberg in Richtung auf Memmelsdorf zu, dann lag nördlich der Straße eine weite flache Wiesenlandschaft, die Breitenau. Ein Bach trennte das sattgrüne Land in zwei Hälften; umrahmt von Kopfweiden und allerlei Buschwerk floss er in die Gärtnerstadt und diente hier zum Bewässern der Gemüsefelder. Er war Abfluss eines hübschen Sees, ungefähr so groß, dass ihn ein Mann zu Fuß in einer Stunde umrunden konnte. Das Land hier war schon seit jeher fürstbischöflicher Besitz, man betrieb hier ein Weiherhaus mit umfangreicher Fischwirtschaft. Das seichte Gewässer lieferte jedes Jahr Mengen an Karpfen, Hechten und Ruppen für die Bamberger Residenz und war außerdem ein Paradies für Wasservögel aller Art.
    An diesem Tag wurde die Ruhe der Gegend von einer Jagdgesellschaft gestört, die zu Pferde und mit mehreren leichten Kutschen auf den See zuhielt. Es war der Fürstbischof selber, der beschlossen hatte, auf Stockenten zu gehen, obwohl eigentlich noch Schonzeit war. Georg Fuchs von Dornheim saß zu Pferde, was wegen seiner Leibesfülle und der daraus resultierenden Unbeweglichkeit nur noch selten vorkam; man hatte einen breiten, starkbeinigen Apfelschimmel für ihn ausgewählt. Neben ihm ritt ein hochgewachsener, hagerer Mann mit schulterlangen grauen Haaren und fein gestutztem Vollbart, trotz der außergewöhnlichen Junihitze ganz in Schwarz gekleidet.
    »Nun, Eminenz, bereut Ihr meinen Ratschlag, zur Jagd zu gehen, immer noch?«, fragte der Schwarze in übertrieben freundlichem Tonfall.
    »Ja«, knurrte Dornheim und warf seinem Nebenmann einen ungnädigen Blick zu. »Ich schwitze, mein Arsch tut mir weh, und gerade hat mich die zweite Bremse gestochen. Ich frage mich überhaupt, warum ich auf Euch gehört habe, Deodatus. Schließlich seid Ihr Astrologe und kein Arzt.«
    Jeronimus Lieprecht aus dem Weiler Gottesgab im Aischgrund, der sich seit dem Beginn seiner Karriere als Horoskopsteller

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