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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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allte Geschwär gelegt, heilet sie. Sie vertzert und macht klein das Miltz mit Kalch vermischt. In Summa: Mystel zeucht heraus allerley subtile und grobe Feuchtigkeyt.« Toni schüttelte den Kopf. »Der schreibt aber seltsam.«
    »Der hat ja das Buch auch vor bald hundert Jahren verfasst. Aber was er sagt, gilt immer noch. So, und jetzt bringst du die Vögel in die Küche und dann hilfst du mir bei den Zeltchen.«
    Zusammen mit ihrem Bruder schöpfte sie später zuckerhaltigen, zähflüssigen Brei aus Salbei, Ackerschachtelhalm, Eibisch, Holunder und Tormentill in einen Zinntrichter und ließ die Masse auf ein kaltes Blech tropfen, wo sie zu kleinen Kegeln erstarrte, die man auch Trochisci nannte. Danach mörserten sie Anis, Fenchelsamen, getrocknete Ebereschenblätter, wilde Malve, Spitzwegerich und Bibernelle, die als Aufguss gegen Husten helfen sollten. Und sie rührten Minze, Leinsamenmehl und Seifenkrautwurzel in altes Gänsefett für Brustumschläge. So ging es den ganzen Nachmittag.
    »Störe ich?« Irgendwann steckte Cornelius den Kopf zur Tür herein. Schmal war er geworden in letzter Zeit, fand Johanna. Der Tod seiner Mutter hatte ihn arg mitgenommen, und jetzt auch noch diese Seuche, die ihn kaum noch zum Schlafen kommen ließ. Zu jeder Tages- und Nachtzeit wurde er geholt, und sie wusste, er war froh darüber. Nach der Verhaftung der Weinmännin waren viele Leute lieber zu seinem Kollegen Eberlein gegangen – man wollte schließlich nicht von einem Arzt behandelt werden, der womöglich Sohn einer Hexe war. Nun ließ die Seuche den Menschen keine Wahl; ein Arzt allein konnte die vielen Kranken unmöglich bewältigen.
    »Du störst doch nie«, sagte Johanna und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Wie steht’s draußen?«
    Er nahm seine Arztkappe ab und fuhr sich durch die Haare. »Nicht gut. Allein heute sechs neue Erkrankungen, darunter die zwei Kinder vom Schuster Rösch am Reußentor und der alte Paulus aus der Fischgasse. Die Maigel im Elisabethspital ist gestern gestorben. Aber die Kesslers-Lena ist auf dem Weg der Besserung, und der kleine Wendelin Nickel ist auch übern Berg, glaube ich.«
    Johanna ließ ihren Bruder die Hustensalbe weiter in kleine irdene Tiegel abfüllen und ging mit Cornelius in die Offizin. »Wie hilft der Sirup aus Meerrettich und Eibisch?«, fragte sie.
    »Ganz gut.« Er wirkte müde. »Was hältst du davon, noch ein bisschen Huflattich mit hineinzutun? Das beruhigt und löst den Schleim.«
    »Ich hab vor drei Wochen ein Glas mit Lattichblättern und Zucker im Garten vergraben. Eigentlich soll es da zwei Monate bleiben, bevor man den Sirup aufkocht, aber ich kann’s vielleicht schon früher probieren. Hier, trink das.« Sie goss eine Flüssigkeit aus einer Steingutkanne in einen kleinen Becher und hielt ihn ihm hin.
    »Was ist das?« Er schnupperte daran.
    »Ein Stärkungswasser. Du siehst erschöpft aus.«
    Er lächelte und trank. »Hast ja recht. Ich bekomme in letzter Zeit nicht genug Schlaf. Brrr!«
    Sein Gesicht verzog sich, als ob er in etwas Saures gebissen hätte. »Das ist ja ein ekelhaftes Zeug!«
    »Was gut schmeckt, hilft nicht, hat mein Vater immer gesagt.«
    Er grinste und stellte den Becher hin. »Ach Hanna, wenn ich dich nicht hätte!«
    »Jaja«, gab sie scherzhaft zurück, »tu mir nur schön! Sonst geb ich meine besten Arzneien dem alten Eberlein … «
    »O Gott!«
    Es rumpelte draußen am Verkaufsfenster, und gleich darauf erklang das kleine Glöckchen, das an der Hauswand hing. Johanna ging hin, guckte durch die hellen Butzenscheiben und öffnete. Es war Barbara Hahn, die Frau des Türmers von Sankt Martin, die von Geburt an eine schiefe Hüfte hatte und stark hinkte. Deshalb wurde sie überall nur die »knapperte Bärbel« genannt. »Grüß Gott, Bärbel, was gibt’s?
    Die Hahnin äugte nach drinnen und entdeckte Cornelius, der eben an einer Sirupkanne schnupperte. Johanna errötete, denn die Türmersfrau war als eine der schlimmsten Klatschbasen in der ganzen Stadt bekannt. »Der Doktor Weinmann bestellt grad Medizin«, erklärte sie. »Und was brauchst du?«
    »Ach, die ganze Familie hat seit einer Woche schlimmer denn je die Kopfläuse«, jammerte die Bärbel. »Wir werden gar nicht mehr Herr. Die Kinder kratzen sich schon blutig.«
    »Öfters waschen, Hahnin!«, schaltete sich Cornelius ein. »Am besten jeden Tag. Das ist das beste Mittel!«
    »Ja, Ihr seid gut, Doktor! Und wer trägt mir das Wasser für die Kleinen hoch auf den

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