Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
eiserner Ring um ihre Brust. Sie schickte ein Nachbarsmädchen zu Cornelius.
»Der Toni«, sagte sie angstvoll, als er kam. »Er hat Fieber.«
Cornelius untersuchte Antoni lange. Er sprach mit ihm. Er fühlte die Temperatur, sah ihm in den Hals, ließ ihn husten, horchte seine Brust ab. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich kann noch nichts Genaues sagen«, erklärte er. »Auf der Lunge höre ich nichts, der Hals ist frei, die Stimme vielleicht ein wenig rau. Es könnte auch eine einfache Erkältung sein.«
»Ich hab vorgesten in der Regnitz gebadet«, vermeldete Antoni kleinlaut. »Die war noch ganz schön kalt.«
»Aha! Da haben wir’s schon!« Cornelius grinste und stupste seinen Patienten an. »Dann ist dir wohl die feuchte Kälte in die Glieder gekrochen. Das wird schon wieder.« Er stand vom Bettrand auf. Warum nur hatte er solch ein mulmiges Gefühl? Die Symptome waren nicht verdächtig. Zu einer anderen Zeit hätte er sich in diesem Fall keinerlei Gedanken gemacht. Traue nicht deinen Ahnungen, hatte einmal einer seiner Lehrer in Bologna zu ihm gesagt. Traue nur dem, was du siehst und wirklich feststellen kannst. Immer war er diesem Rat gefolgt, und dennoch: Jetzt wich er Johannas Blick aus. »Lass ihn schwitzen, gib ihm ein Stärkungswasser und vorsorglich deinen Kräuteraufguss gegen Husten und Halsweh. Und etwas Schleimlösendes, damit sich in der Lunge nichts ansammelt. Gegen das Fieber machen wir noch nichts; solange es nicht schlimmer wird, hilft es.«
»Lieber Gott, Cornelius, ich bete, dass es nicht die Seuche ist.«
Er nahm ihre Hände. Wie zart sie waren, wie weich und warm. Er hätte sie am liebsten gestreichelt. »Hör zu, bis jetzt ist noch nichts festzustellen. Ich muss jetzt weiter, es sind so viele krank. Du weißt, was zu tun ist. Heute Abend komme ich noch einmal vorbei, bis dahin müssen wir abwarten.«
Es wurde spät, bevor Johanna das vertraute Klopfen an der Tür hörte. Sie rannte aus der Kräuterkammer und öffnete. Cornelius trat ein und warf müde Mantel und Kappe über den nächsten Stuhl. »Wie steht’s?«, fragte er.
»Ich hab ihm alles gegeben, was helfen könnte.« Sie atmete tief durch. »Aber es wird nicht besser. Das Fieber ist eher gestiegen. Und er klagt über Halsschmerzen.«
Cornelius sah, dass sie den Tränen nah war. »Komm«, sagte er, »wir sehen es uns an.«
Johanna leuchtete ihm mit einer doppelröhrigen Lampe, während er in Antonis Hals sah. Die Mandeln waren jetzt weiß bedeckt, und auf der Zunge erkannte er deutlich den bräunlichen Belag, der sich dick bis zum Kehlkopf hinunter ausbreitete. Heilige Muttergottes, hilf, dachte er. Er sah die unheilvolle Blässe auf Antonis Wangen. »Huste mal«, forderte er den Jungen auf. Es klang trocken, bellend. Der Kehlkopf war schon betroffen. Cornelius schloss die Augen. Dann blickte er Johanna an.
»Es ist die Rachenbräune, Hanna.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht.
Die ganze Nacht über saß sie bei Antoni. Sie ließ ihn inhalieren, machte Gurgelwasser, gab ihm Salzwassertropfen, um den Schleim in den Nasenhöhlen zu lösen. Er musste alles schlucken und lutschen, was sie aus dem Arzneischatz zur Verfügung hatte. Seine Kehle schwoll zu, und wenn er schlecht atmen konnte, ging sie mit ihm auf und ab. Sie machte ihm Halswickel, Wadenwickel, ein Brustpflaster. Er kam ihr wieder vor wie das kleine Kind, das sie aufgezogen hatte, an Mutters Stelle. Sie sprach mit ihm, erzählte ihm Geschichten, wenn er jammerte. Streichelte ihn, wenn er in unruhigen Schlaf fiel. Sagte ihm Kinderreime auf, sang für ihn alle Lieder, die sie kannte. Irgendwann flüsterte er: »Hanna, ich will doch nicht sterben.«
Da weinte sie.
»Weißt du noch, Toni, als ich dir früher immer Brei gekocht habe?«, fragte sie unter Tränen. Er nickte, lächelte schwach. »So einen mach ich dir jetzt.«
Sie ging hinunter und blies die Glut auf dem Herd neu an. Dann nahm sie Grieß, Milch, Butter, ein Eigelb und viel Honig und kochte daraus eine dünne Masse, die sich leicht schlucken ließ. Sie rührte sie in einem Wasserbad kühler und beeilte sich dann, wieder hinaufzukommen. Tonis Anblick zerriss ihr das Herz. Totenbleich lag er in den Kissen und atmete mühsam. Sie setzte sich zu ihm, half ihm zum Sitzen und begann, ihn zu füttern.
»Das machen wir jetzt so wie damals, als du noch ganz klein warst«, sagte sie, und begann, bei jedem Löffel, den sie ihm hinhielt, eine Zeile des alten Spruchs aufzusagen:
»Willst du machen ein gut
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