Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Mund zum Schrei geöffnet. Über dem entstellten Gesicht und der Blutlache, die schon fast geronnen war, schwirrte summend eine ganze Armee von grünschillernden Fliegen.
Beelzebub, dachte Dornheim, der Herr der Fliegen. Er begann zu zittern. Dies hier, dies war die Antwort, die der Teufel ihm gab. Die Antwort auf sein Angebot zum Waffenstillstand. Er hatte sie ihm direkt vor die Füße geworfen.
Langsam, ganz langsam bekreuzigte sich der Fürstbischof, drehte sich um und wankte wie vom Schlag getroffen über den Hof. Die dabei waren, erzählten später, er habe plötzlich ausgesehen wie ein uralter Mann.
Noch am selben Tag wurden die Hexenprozesse wieder aufgenommen.
Erlass des Fürstbischofs von Bamberg vom 25.Juni 1630
Da Wir, Fürstbischof und guther Hirtte dießer Gemeinde, mit aller Macht und aus gantzem Hertzen danach streben, das Volck der Christenheyt, das Unß anvertraut wurde, in der Einheyt und Glückseligkeyt des katholischen Glaubens zu haltten und zu bewaren und es vor der Geyßel des Ungeheurs Häresia zu schützen, haben Wir, vorgenannter Fürßtbischof, zu dessen Aufgaben es gehöret, zu Ruhm und Ehr des Heiligen Namens Jesu Christo und zur unendtlichen Glorie des Heiligen Rechten Glaubens, es unternomen, das Übel der Häresia, insbeßondere in den Hexen und Unholden – sowohln im Allgemeynen wie im Beßonderen in jeder Einzelnen von ihnen – auszurotten. Denn der Herr spricht: »Weßen Seele sich zum Sathan und zu Daemonen neygte undt mit ihnen hurte, gegen die will ich mein Antlitz erheben und will sie verthilgen auß der Schar meines Volckes.« Darumb solln die Bürger aus billiger und verständtlicher Ursach nit zögern, zu den Richtern und Commissarii zu gehn und Anzeigung zu machen gegen Druden und Drudenwerck. Auff daß Bambergk baldiger Zeyt wieder frey würdt von der großen Heimbsuchung und die Zaubrer und Zaubrerinen irer Straff durch das heilende Fewer nit entgehn.
Geben zu Bambergk, am Tag nach Johannis bapt. nat. anno 1630
Mohrenapotheke, Juli 1630
Hanna, mir tut der Kopf so weh.«
Antoni schob das Leintuch von sich, das er für die Herstellung von Englischen Pflastern gerade in Streifen schnitt. Neben ihm stand Johanna und teilte eine Stange Pflastermasse, eine Mischung aus Wachs, Fett und Kräuterextrakten, mit dem Messer in exakte Stückchen. Später würde sie diese Stückchen leicht erwärmen, auf den Stoff streichen und das Ganze verkaufsfertig zusammenrollen. Sie strubbelte ihrem Bruder über den blonden Schopf. »Ruh dich ein bisschen aus, Toni, dann wird’s schon besser. Am besten, du legst dich ein Stündchen hin. Ich weiß schon, in letzter Zeit lass ich dich viel zu viel arbeiten. Aber sonst schaff ich es halt nicht.«
Toni trollte sich und legte sich zum Schlafen auf die Eckbank in der Küche, während Johanna ihre Arbeit zu Ende brachte. Danach rührte sie noch einen dickflüssigen Teig aus Terra sigillata und Hustensirup an. Die heilkräftige Tonerde von der griechischen Insel Lemnos wirkte schweißtreibend und würde vermischt mit der Kräuterlatwerge gute Dienste tun. Johanna ließ die zähe Masse auf eine kalte Steinplatte tropfen. Das ergab nach dem Erstarren schöne halbrunde Rotulae, die gerade kleine Kinder gerne lutschten. Denn es waren immer noch die Kleinsten, die der Seuche zum Opfer fielen, diesem Würger, der nun schon seit über zwei Monaten die Stadt in seinem Griff hielt.
Irgendwann hielt Johanna inne. Es konnte doch nicht sein, dass Antoni nun schon fast drei Stunden schlief. Sie wischte sich die Hände ab und ging in die Küche. Tatsächlich, da lag er noch, tief atmend, das Gesicht rosig vom Schlaf. Sie rüttelte ihn leicht an der Schulter. »Toni, wach auf. Es ist ja schon bald Abend.«
Er öffnete die Augen.
»Geht’s dir besser?«
»Weiß nicht.« Bildete sie sich das ein, oder klang seine Stimme belegt?
Aber dann richtete er sich auf, streckte sich und gähnte. »Was gibt’s noch zu tun?«
Sie ließ ihn aus einem festen Teig, den sie in der Frühe schon vorbereitet hatte, Halspastillen stechen. Das machte ihm Spaß und war nicht schwer.
Danach aßen sie Geräuchertes, Käse und Brote mit Schnittlauchbutter zu Abend, und Johanna schnitt ihrem Bruder hinterher ein hübsches Stück selbstgemachtes Marzipan ab. Er verschlang es mit Heißhunger, und sie war beruhigt. Er wächst, dachte sie, in diesem Alter ist das so.
Am nächsten Morgen fieberte Antoni leicht. Johanna ließ ihn im Bett; Beklommenheit legte sich wie ein
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