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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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er, einen Zugang zur Luftröhre müsste man schaffen können. Er hörte Tonis pfeifenden Atem, ein immer länger andauerndes, quälendes Geräusch. Jeder Ton bereitete ihm beinahe körperlichen Schmerz. Und wenn man unterhalb des Kehlkopfs die Luftröhre öffnete? Er schüttelte den Kopf.
    »Was ist?« Johanna blickte ihn an. »Sag.«
    Er seufzte. »Ich hab überlegt, ob es möglich wäre, unterhalb des Kehlkopfs ein Loch in Tonis Hals zu schneiden, um die Luftröhre zu öffnen.«
    »Du meinst, dann könnte er durch dieses Loch atmen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich hab so etwas noch nie gemacht. Es ist zu gefährlich.«
    Sie packte seine Hand so fest, dass es ihm wehtat. »Aber es ist eine Möglichkeit.«
    Er wehrte ab. »Ich würde von außen nicht erkennen, wo ich hinschneide. Ich könnte die Speiseröhre verletzen, den Kehlkopf, die Stimmbänder, dass er nie wieder sprechen kann. Und es könnte Blut in die Lunge laufen. Dann erstickt er daran. Nein, Hanna, da sind zu viele Unwägbarkeiten. Warten wir ab. Vielleicht schafft er es auch so.«
    »Glaubst du das?«
    Er sah Toni an, sah die Leichenblässe auf seinem Gesicht, die Lippen, die schon dunkelblau waren. Dann schloss er die Augen. Nein, dachte er. Nein, das glaube ich nicht. »Hol Wasser, Schwämme und Leintücher«, sagte er. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

    Sie hatten alle Lichter nah ans Bett gerückt. Neben Cornelius stand ein Tischchen, auf das er griffbereit drei aufgeklappte Operationsmesser in verschiedenen Größen, eine Pinzette und mehrere Spreizzangen gelegt hatte. Außerdem lag dort eine kleine Glasröhre, die aus dem Apothekenlabor stammte und dort zum Ansaugen von Flüssigkeiten aus den Destilliergefäßen diente. Cornelius hatte sie an einer Seite abgebrochen, damit sie die richtige Länge bekam, etwas mehr als eine viertel Spanne. Das war nicht die beste aller Lösungen, aber es musste einfach genügen. Nun nahm Johanna Tonis Kopfkissen weg und legte stattdessen sauberes Leinen unter. Dann drehte sie ein Tuch zur Rolle, formte einen Ring und bettete seinen Kopf darauf, sodass er stabil und gerade blieb. Toni bekam von alldem nichts mit, er lag mit geschlossenen Augen da und rang mit letzter Kraft um jedes bisschen Luft. Johanna schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Heilige Muttergottes, du hast selber ein Kind verloren, du weißt, was das bedeutet. Ich bitte dich, hilf. Lass mir meinen Bruder. Gib, dass wir das Richtige tun, Amen.
    Dann sah sie Cornelius an und nickte.
    Er tastete mit der Linken nach Tonis Kehlkopf. Da, das war er; sogar von außen konnte er die Schwellung deutlich spüren. Darunter die Kuhle oberhalb der Stelle, an der die Schlüsselbeine fast aneinanderstießen. In der Mitte dieser weichen Kuhle ließ sich etwas Festes, Schlauchartiges erfühlen. Das musste die Luftröhre sein. Cornelius griff nach dem kleinsten Messer, setzte die Spitze an Tonis Hals. Er holte tief Luft. Dann stieß er vorsichtig durch die Haut. Blut quoll hervor; Johanna tupfte es mit einem Schwamm weg. Cornelius schnitt noch ein wenig tiefer, drehte vorsichtig das Messer. Und plötzlich ein winziges, schmatzendes Geräusch, ein leichtes Zischen, dann hob sich Tonis Brustkorb in einem tiefen, großen, nicht enden wollenden Atemzug. Ein Seufzer der Erleichterung kam über Cornelius’ Lippen. Er hatte die Luftröhre getroffen!
    Mit schnellen, sicheren Bewegungen holte er sich die kleinste Spreizzange, führte sie in die Wunde ein und schraubte sie so fest, dass der Schnitt offen gehalten wurde. Johanna versuchte derweil zu verhindern, dass allzu viel Blut nach innen lief. Tonis Brustkorb hob und senkte sich nun regelmäßig, während Cornelius das Glasröhrchen langsam bis in die Luftröhre schob und dann die Zange wegnahm. Die Haut schloss sich um das Röhrchen. Toni atmete weiter.
    Mit langen Leinenstreifen banden sie Kopf und Oberkörper des Jungen am Bett fest, damit er nicht durch eine hastige Bewegung das Röhrchen verlor. Auch die Hände fixierten sie, um zu verhindern, dass er im Schlaf an die Wunde griff.
    Dann setzten sie sich nebeneinander ans Bett und beobachteten, wie Tonis Lippen langsam ihre blaue Färbung verloren.
    »Jetzt darf nur das Fieber nicht steigen und keine Entzündung mehr dazukommen«, sagte Cornelius, »dann haben wir es geschafft.«
    Sie lächelte. Irgendwann wurde sie so müde, dass ihr die Augen zufielen. Da zog er sie an sich, bettete ihren Kopf an seine Brust und legte den Arm um sie. So blieben sie bis zum

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