Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Ihr einer seid, und dass es verschwunden ist, und dass er es mit seiner Seele zurückgekauft hat … «
Das klang allerdings merkwürdig. Cornelius rieb sich, wie es beim Nachdenken seine Gewohnheit war, mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken.
»Hansi, sag, was ist das für ein Buch, das dir so wichtig ist?«
Der Bub, der bisher zu Boden geblickt hatte, sah auf. In seinem Gesicht zuckte es überall. »Es ist das Buch vom Doktor Faust, und sie haben es mir gestohlen.«
»Sie?«
»Meine Lehrer, die Brüder Jesu. Die sind böse. Und, meiner Seel, ich will es wiederhaben, sonst schlag ich alle tot, ich schwör’s! Die Ellin hat’s mir zurückversprochen, sonst hätt ich das alles nicht gemacht. Ich muss doch … «
Cornelius legte dem zitternden Jungen die Hand auf die Schulter. »Ruhig, Hansi. Setz dich erst einmal hin und atme ganz tief.«
»Alles haben wir schon versucht«, fiel die Moorhauptin ein. »Prügel und gutes Zureden, kalte Wickel, Weihwasser, am Ende haben wir ihn fünf Tage in seine Stube gesperrt. Aber es hilft nichts … Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.«
»Und wenn ich das Buch nicht hab, dann sollen alle verrecken … « Hansi ballte die Fäuste und rollte mit den Augen.
»Ach Gott, ach Gott«, greinte seine Mutter. »Doktor, da hört Ihr’s. Er spricht vom Teufel, und das grad jetzt, wo in Zeil so viel Unheil ist. Das geht alles gegen unseren guten Ruf, die Leute reden schon … «
Cornelius nickte. Hansis Vater war einer der Bamberger Bürgermeister und für seine Sittenstrenge und hohe Moral bekannt.
»Hansi«, begann er, »das Buch, wie heißt es denn genau?«
»Historia von D. Johann Fausten dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler«, antwortete der Junge prompt.
»Und wo hattest du es her?«
»Vom Dachboden, da lag’s in einer Truhe.«
»Ja, das stimmt«, sagte die Moorhauptin. »Es gehört meinem Mann. Dieser Faust-Doktor, von dem das Buch handelt, war vor ungefähr hundert Jahren einmal in der Stadt, das hat der Johann in einem Kopialbuch mit alten Rechnungen entdeckt. Da hat er sich das Buch gekauft, weil er geglaubt hat, es steht etwas über Bamberg drin. Aber dann handelte es von einem sündhaften Menschen, der sich aus lauter Hoffahrt dem Teufel verschrieben hat. Eine ganz abscheuliche, unanständige, böse Geschichte. Der Johann hat’s gar nicht fertig gelesen, sondern einfach unters Dach gebracht und dort vergessen.«
Cornelius sah den Jungen an. Natürlich kannte er den Doktor Faustus, ein Buch, das seit seiner Veröffentlichung Aufsehen erregte. An der Universität hatte wohl jeder Student den Faust mindestens einmal gelesen. Ein faszinierender und zugleich abschreckender Stoff. »Und das Buch hast du spannend gefunden, hm?«
»Ja, und ich hab’s mit in die Schule gebracht und den anderen gezeigt. Da haben mir es die Präceptoren weggenommen.«
»Das hat dich wütend gemacht, und du wolltest es wiederhaben.«
In Hansis Gesicht zuckte es wieder. »Da ist des Abends im Garten die Ellin zu mir gekommen, unsere Magd. Und die hat hoch und heilig versprochen, sie schafft mir das Buch wieder. Aber nur, wenn ich mich dem Teufel verschreibe, so wie der Doktor Faust.«
»Und, hast du das getan?«
»Ja. Taufen hab ich mich lassen … «
Die Moorhauptin bekreuzigte sich.
Dann holte sie aus ihrem Korb ein halb gefülltes Harnschauglas. »Doktor, das hab ich Euch mitgebracht. Vielleicht könnt Ihr daran sehen, was ihm fehlt.« Sie hielt es Cornelius hin, doch der winkte ab.
»Gute Frau, Eurem Sohn fehlt nichts Körperliches. Der Faust ist ein viel zu aufregender Lesestoff für einen Jungen seines Alters, das war wohl zu viel für ihn. Ich denke, es ist eine Art Überreiztheit des Geistes, die ihn nun plagt. Kinder und junge Menschen haben zuzeiten solche Anfechtungen. Sie bilden sich alles Mögliche ein, haben Tagträume, benehmen sich seltsam und reden wirr. Ein Ungleichgewicht der Säfte, wenn Ihr so wollt. Das gibt sich. Der Bub braucht Ruhe und gute Pflege, vielleicht sollte man ihn eine Weile aufs Land schicken.«
»Ich bilde mir nichts ein.« Hansi polterte so ungestüm von seinem Hocker hoch, dass dieser umfiel, und stampfte trotzig mit dem Fuß auf.
»Jedenfalls in den nächsten Wochen keine Schule mehr.« Cornelius bückte sich und stellte das Dreibein wieder hin. »Das Lernen würde ihn nur zusätzlich überfordern. Geht morgen früh in die Mohrenapotheke, dort lasse ich Euch drei Rezepturen machen. Das eine ist etwas zur Beruhigung, und
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