Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
sie aus Johannas Blickfeld verschwunden waren.
»Mein Gott, das arme Ding.« Cornelius war zurück, und Hanna beeilte sich, das Brett wieder vors Fenster zu drücken. Er sah, dass sie zitterte. »Das wird deinen früheren Verlobten hart treffen.«
»Wie meinst du das?« Hanna legte sich wieder ins Bett, wo Cornelius ihr beruhigend übers Haar strich. »Na, er hat sich schon als Ehemann der reichsten Erbin von ganz Bamberg gesehen«, sagte er. »Das Aufgebot ist ja schon bestellt. Mit diesen Plänen dürfte es jetzt vorbei sein.«
Hanna wusste, dass Cornelius recht hatte. Wer erst einmal verhaftet war, der kam nicht mehr mit dem Leben davon. Maria Dietmayer tat ihr unendlich leid.
»Die Kleine muss sterben, damit der Fürstbischof an das große Geld kommt«, sagte Cornelius bitter.
Hanna schloss die Augen und dachte an Hans Schramm. Auch für ihn empfand sie Mitleid. Vielleicht liebte er Maria Dietmayer wirklich, jedenfalls so, wie er es eben konnte. Wie er auch sie geliebt hatte, solange sie seinen Vorstellungen entsprochen hatte. Es stimmt schon, was die Leute sagen, dachte sie. Was auf dem Unglück anderer ruht, kann kein Glück hervorbringen. Sie legte ihren Arm um Cornelius und hielt ihn ganz fest.
In dieser Nacht konnte sie lange nicht schlafen.
Auch in dem großen Haus gegenüber schlief jemand nicht. Adam Appler lag in seinem Bett und dachte nach. Der alte Bastschneider, der in der Dachstube des Weinhändlers Messerschmitt am Grünen Markt in Untermiete lebte, hatte eben im Doktorhaus etwas Ungewöhnliches gesehen. In dem kleinen Giebelfenster, das normalerweise immer geschlossen war, war plötzlich das Gesicht einer Frau aufgetaucht. Ganz kurz nur, aber der alte Appler hatte es im Mondlicht genau erkennen können. Er hörte zwar nicht mehr ganz so gut, aber er hatte immer noch Augen wie ein Luchs! Und hinterher war drinnen unterm Dach der Schein einer Kerze sichtbar gewesen, bevor jemand das Fenster von innen dichtgemacht hatte. Das war merkwürdig. Appler wohnte nun schon seit so vielen Jahren in seiner Dachkammer, aber Licht unterm Giebel des Doktorhauses hatte er noch nie gesehen. Was hätte man wohl auch nachts unterm Dach zu suchen, außer man wohnte dort, so wie er? Und dieses Frauengesicht … Die Lisbeth war das ganz bestimmt nicht gewesen, die kannte er weiß Gott lang genug. Außerdem hielt sie sich schon eine ganze Zeit bei ihrer Verwandtschaft auf dem Land auf, weil da einer krank lag. Der junge Doktor war also allein. Ob sich der vornehme Herr am Ende feile Weiber ins Haus holte, jetzt wo die Lisbeth fort war? Ei, das wäre ein gefundenes Fressen für die Bamberger Klatschweiber! Aber wieso unters Dach?
Adam Appler beschloss, in Zukunft öfters einmal da hinüberzuschauen.
San Benedetto Po, Brixen, Brennerpass,
Ende August 1631
Es war, als hätten sich alle Elemente gegen Petrus Kircher verschworen. Seit dem Tag seiner Abreise aus Rom regnete und gewitterte es fast unablässig. Die Straßen waren so tief verschlammt, dass die Pferde sich sogar im Schritt schwertaten. Und es war so kalt und windig; man mochte kaum glauben, dass eigentlich Hochsommer war.
Kircher und seine beiden Begleiter, zwei junge italienische Jesuiten namens Paolo und Salvatore, kämpften sich zäh durch Hagel, Wind und Wolkenbruch in Richtung Norden. Täglich verloren sie wegen der schlechten Wetterverhältnisse kostbare Zeit, trieben ihre Tiere aber verbissen an. Kircher war nah am Verzweifeln. Endlich riss, als sie sich schon dem Fluss Po näherten, die Wolkendecke auf und die Sonne kam heraus. Die Ebene dampfte, überall war feuchter weißer Nebel, der wie eine dicke, schwere Last über den Reisfeldern lag. Als sie den Fluss erreichten, war Kirchers Schrecken groß: Was er von seiner Hinreise als behäbig dahinfließendes Gewässer in Erinnerung hatte, war jetzt ein reißender Strom. Wirbelnd, mit brausendem Strudel, riss er Erde und Holz, Äste und Büsche mit sich, leckte gierig an den Dämmen, prallte mit Wucht gegen Brücken und Piere. Dort, wo der Übergang war, auf dem Kircher und seine Begleiter passieren wollten, ragten nur noch ein paar hölzerne Stützen wie dürre schwarze Finger aus dem Wasser.
Sie ritten durch Felder und Wiesen nach San Benedetto Po, um im dortigen Benediktinerkloster Quartier zu nehmen. Erst nach fünf Tagen hatte sich der Fluss so weit beruhigt, dass ein Fährmann bereit war, sie überzusetzen.
Danach ging es bis Verona gut vorwärts und auch die Strecke entlang des Benaco
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