Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Kircher riss sein Messer von der Seite. Es hatte wenig Sinn, zu fliehen, er musste sich wehren und versuchen, seinem Begleiter zu helfen. Mit wütendem Geheul, das eher ihm selber Mut machen als den Angreifern Angst einjagen sollte, stürmte er auf die beiden kräftigen Räuber zu. Ein wildes Handgemenge entstand. Kircher traf ein, zwei Mal mit seinem Messer, aber offenbar nicht gut genug. Die kampferprobten Wegelagerer gewannen langsam Oberhand. Neben ihm ging der brave Salvatore mit einem Aufstöhnen in die Knie. Mit ungläubiger Miene fasste er sich an die Brust, aus der das Heft eines Dolches ragte. Dann kippte er langsam nach vorne, die blutnasse Hand hilfesuchend zu Kircher ausgestreckt.
Kircher wusste, dass er alleine keine Chance mehr hatte. Einem Impuls folgend drehte er sich um und rannte los. Doch plötzlich versperrte ihm ein paar Schritte entfernt eine Gestalt den Weg. Erst blieb Kircher wie angewurzelt stehen. Der Mann kam ihm bekannt vor, nur woher? Himmel, das konnte doch nicht sein! War das wirklich sein Freund Maximus Witt aus Rom, ohne Habit und mit Bart? Danke, Herrgott, ich danke dir, dachte Kircher unendlich erleichtert. Er ließ das Messer sinken und ging auf seinen vermeintlichen Retter zu. »Gott sei Dank, dass Ihr kommt!«, stieß er hervor. »Ich … « Etwas in den Augen des anderen ließ ihn verstummen. Dann begriff er.
»Gebt mir das Mandat, Pater!« Stürmer streckte fordernd die Hand aus.
Kircher packte ein unbändiger Zorn. »Verräter!«, brüllte er und stürzte sich auf seinen Gegner. Wie ein Irrer rannte er gegen Stürmer an, sodass sie beide aus dem Gleichgewicht gerieten. Einen Augenblick rangen sie erbittert miteinander, während die beiden gedungenen Helfer unschlüssig zusahen, ohne sich einzumischen. Kircher spürte einen stechenden Schmerz im rechten Unterarm; er schrie auf und ließ das Messer fallen. Dann warf er sich mit der Kraft der Verzweiflung, seinem ganzen Gewicht und all seiner Wut ein letztes Mal gegen seinen Widersacher. Der taumelte nach hinten, stolperte, krallte sich in Kirchers Kutte, um sich festzuhalten. Ein paar Mannslängen unter ihnen in der Klamm rauschte und toste das Wildwasser. Einen Augenblick lang schwebten die beiden Männer zwischen Himmel und Erde, dann riss Stürmer die Hände hoch als wolle er nach den Wolken greifen, und sie stürzten beide hinab in das eisige Bachbett.
Die zwei Räuber hatten dem Absturz tatenlos zugesehen. Jetzt spähten sie hinab in die kleine Schlucht. Drunten sahen sie zwei reglose Körper übereinander im flachen Wasser zwischen Steinen und Felsbrocken liegen. Da war nichts mehr zu machen. Einer der Strauchdiebe schüttelte den Kopf und winkte ab. Er gab seinem Kumpan das Zeichen zu verschwinden. Wortlos leinten sie die drei Pferde der Jesuiten und auch Stürmers Wallach hintereinander an und machten sich mit ihrer Beute eilig davon.
Bamberg, am selben Tag
Sagt, dass das nicht wahr ist.« Der Fürstbischof flüsterte den Satz fast tonlos. Er hatte den hereinbrechenden Abend im Garten des Geyerswörth bei den Rosenrabatten genießen wollen, zusammen mit Caspar, der ihm bis gerade eben auf seiner Flöte angenehme Melodien vorgespielt hatte. Bis Friedrich Förner gekommen war.
Der Weihbischof in seinem schwarzen Habit stand mit verkniffener Miene da und hob die Schultern.
»Das ist das Ende.« Dornheim sackte auf seiner steinernen Bank in sich zusammen, er wirkte wie eine müde alte Kröte, die blind in die untergehende Sonne blinzelte. Der Papst stellte sich gegen ihn! Erst der Kaiser, und nun der Papst! Es traf ihn wie ein Schlag ins Genick. Hatten sich denn Himmel und Hölle gegen ihn verschworen? Der Mohr sah seinen Herrn sorgenvoll an, dann gehorchte er dem Wink des Weihbischofs, der ihm bedeutete, er möge sie allein lassen.
Förner setzte sich unaufgefordert ans entfernte Ende der Bank, sorgsam bedacht, den Fürstbischof nicht zu berühren. »Eminenz, ich war noch gar nicht fertig. Ja, der Heilige Stuhl hat ein Mandat ausgefertigt, das im Inhalt wohl ähnlich ist wie das des Kaisers. Aber: Man ist in Rom nicht dazu bereit, die Hexenprozesse generell zu verurteilen. Dieses Mandat scheint, so berichtet zumindest Kardinal Spada, einer sentimentalen Anwandlung Seiner Heiligkeit entsprungen zu sein. Es ist nicht die Haltung des Sant’Offitio.«
»Ach Gott, was nützt mir das?« Dornheim schloss müde die Augen. Er fühlte sich alt, uralt. Seine Kraft war dahin. »Auch wenn es nur die persönliche Meinung des
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