Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
ließ sich leicht bewältigen. In Trient brauchten sie ein neues Pferd, weil Kirchers Gaul schlimm lahmte, und zu Bozen mussten sie einen Tag pausieren, um neue Vorräte und Ausrüstung für die Alpenüberquerung einzukaufen. Am ersten Septembersonntag erreichten sie endlich Brixen, den alten, reichen Bischofssitz im Eisacktal. Petrus Kircher schöpfte wieder Hoffnung.

    Aber noch jemand ritt nur wenig später am selben Tag in der kleinen Domstadt ein: Lorenz Stürmer. Er trug nun nicht mehr das falsche Gewand des Jesuiten, sondern einfache Reisekleidung, und er hatte sich einen groben blonden Stoppelbart stehen lassen. Zielstrebig lenkte er seinen stämmigen Rappwallach erst auf den Domplatz und von dort aus weiter zur Hofburg, der Residenz des Fürstbischofs. Zuerst wollte man ihn dort gar nicht einlassen, kein Wunder, denn er war staubig und schmutzig von der Reise und sah wenig vertrauenerweckend aus. Erst als er ein Empfehlungsschreiben hervorzog, auf dem das protzige Siegel von Kardinal Bernardino Spada prangte, bat man ihn zumindest in die Vorhalle, wo er ungeduldig wartete. Die Brieftaube mit den Instruktionen aus Bamberg musste längst angekommen sein, wenn er richtig gerechnet hatte und alles gut gegangen war. Und in Spadas Brief stand alles Nötige, um ihn bei Wilhelm von Welsberg, dem Brixener Bischof, zu avisieren.
    Ungeduldig durchmaß Stürmer den Saal mit langen Schritten, bis endlich ein schwarzgekleideter junger Geistlicher erschien.
    »Seine Exzellenz halten sich gerade zu einer Besprechung im Herrengarten auf und sind unabkömmlich«, erklärte der Pfarrer knapp. »Ich bin sein Secretarius und darf Euch dies übergeben.« Er hielt ihm ein kleines metallenes Käpselchen hin. »Ein frisches Pferd werdet Ihr in den bischöflichen Stallungen erhalten, ich habe schon Anweisung gegeben. Braucht Ihr eine Unterkunft?«
    Stürmer lehnte dankend ab. Er wollte erst einmal erkunden, wo Kircher und seine Begleiter abgestiegen waren und dann in der Nähe Quartier nehmen.
    Sobald sich der bischöfliche Sekretär entfernt hatte, öffnete Stürmer die Kapsel und zog den winzigen zusammengerollten Zettel heraus. Er kniff die Augen zusammen und las: »Mandatum und Bothe dürffen Bambergk niemalß erreichen. Tragt dafür umb jeden Preys Sorge, gantz gleich wie. F. F.«

    Drei Tage später brachen Petrus Kircher und seine Begleiter in aller Herrgottsfrühe von Sterzing, ihrem letzten Nachtquartier südlich des Alpenhauptkamms, auf. Heute lag die schwerste Etappe der Reise vor ihnen: der Anstieg zum Brennerpass. Weil sie zu Sterzing einen Tag aufgehalten worden waren – jemand hatte ihnen die Sättel gestohlen und sie hatten erst neue auftreiben müssen –, hatten sie es nun doppelt eilig, über das Joch bis nach Matrei zu kommen. Ab da würde der Weg ein Kinderspiel sein. Das Wetter sah gut aus, und Kircher war trotz der erneuten Verzögerung guten Mutes. Er würde Bamberg noch rechtzeitig erreichen.
    Es ging steil bergauf, immer an der Eisack entlang, die unter ihnen dahinrauschte, inzwischen nicht viel mehr als ein schmaler Bergbach, der sich über Geröll und Findlinge schäumend seinen Weg ins Tal bahnte. Anfangs passierten sie noch einzelne Hütten und Höfe, Wohnstätten armer Berghirten oder Waldbauern, die hier ein kärgliches Dasein fristeten. Dann war es, als hätten die drei Reiter die bewohnte Welt hinter sich gelassen. Der Weg wurde immer schmaler, gerade noch eine Wagenbreite. Ab und zu gab es einen Unterstand, der bei Regen oder Gewitter gute Dienste leisten mochte. Bedrohlich ragten links und rechts die Felsen auf.
    Gegen Mittag, die Sonne stand schon hoch am eisblauen Himmel, erreichten sie eine spitze Wegkehre, die um einen riesigen monolithischen Felsblock herumführte. Die zwei Italiener waren ein Stück voraus, weil Kircher einmal kurz angehalten hatte, um seiner Stute ein Steinchen aus dem Huf zu kratzen und den neuen Sattel zu richten. Er sah noch, wie sie lachend und gestikulierend auf ihren Pferden um den Fels bogen, dann hörte er plötzlich einen erschrockenen Ausruf. Hastig trieb er seine Stute vorwärts, womöglich war einer seiner Begleiter gestürzt. Und dann, als er um den Felsblock ritt, stieß er selber einen entsetzten Schrei aus.
    Paolo lag zuckend auf dem Boden; aus der klaffenden Wunde an seiner Kehle spritzte in rhythmischen Stößen hellrotes Blut. Zwei zerlumpte Wegelagerer waren dabei, den erbittert sich wehrenden und um Hilfe rufenden Salvatore von seinem Pferd zu zerren.

Weitere Kostenlose Bücher