Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
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Eilnachricht des Lorenz Stürmer, Dienstmann und Waffenknecht, an Weihbischof Friedrich Förner, gesandt mit Brieftauben am 27.Juli 1631
P. Kircher mit päpstl. Mandatum untherwegs nach Teutschland. Will ihme unablessig folgen. Bitte mein gned. Herr mögen mir Nachrichtt geben, was zu thun sey. Schickt ein Täubleyn auff den Wegk zurück nach Brixen, wo ich Eures Befehls harren will.
Stürmer, unthert. Knechtt, aus Rom, den Mittwoch nach Jacobi ao. 31
Bamberg, Anfang August 1631
Am Abend des Samstags nach Oswaldi spürte Thea ein Ziehen im Kreuz, das ihr die bevorstehende Niederkunft ankündigte. Sie schob die Handflächen unter ihren Rücken, bis der Schmerz vorbei war, dann erhob sie sich schwerfällig von ihrem Strohlager und ging zur Tür ihrer kleinen Zelle. Die an einem Wandring befestigte Kette, die um ihren rechten Fuß lag, ließ den kurzen Weg gerade noch zu.
»Barthel, bist du da?« Sie hämmerte mit der Faust gegen das Holz.
Draußen regte sich etwas, dann hörte sie den Wächter heranschlurfen. »Was ist?«, fragte er durch die Tür.
»Ich glaube, das Kind kommt.«
»Herrjemine.« Barthel Zwick war ehrlich besorgt. Seit er vor Monaten die Nachtwachen in der Alten Hofhaltung übernommen hatte, war ihm die junge Frau, die so tapfer und ruhig in ihrer Zelle auf die Niederkunft wartete, beinahe ans Herz gewachsen. Sie hätte seine Tochter sein können, und sie tat ihm leid, so allein in ihrem Kerker. Anfangs hatte er sie misstrauisch beäugt, ja, voller Angst. Schließlich hieß es, sie sei eine Hexe. Aber mit der Zeit hatte sich sein Argwohn gelegt. Wenn alle Druden so waren wie seine sanfte Gefangene, dann konnte es seinetwegen ganze Heerscharen davon geben.
»Was machen wir denn jetzt?«, dachte er laut vor sich hin, während er aufsperrte. Er hatte keinerlei Instruktionen für die Geburt erhalten.
Drinnen stand Thea, die Hände schützend um ihren Bauch gelegt. »Ich brauche eine Wehfrau, Barthel.« Sie war blass und sah ängstlich drein, kein Wunder, schließlich war es ihre erste Geburt.
»Keine mehr in der Stadt. Wisst Ihr das nicht? Alle verbrannt.« Barthel Zwick zuckte die Schultern. »Ich geh fragen, was ich tun soll.«
Er ließ Thea seine Laterne da, damit sie in der Zwischenzeit wenigstens Licht hatte, und machte sich eilig davon.
Die Stunden vergingen. Thea versuchte zu schlafen, aber sie war zu aufgeregt. Das Ziehen im Rücken kam und ging in immer kürzeren Abständen, und es wurde mit jedem Mal schlimmer. Lieber Gott, betete sie, mach, dass mir jemand hilft. Sie können mich doch nicht dabei allein lassen. Immer wieder dachte sie an ihren Heinrich, daran, wie überglücklich er gewesen war, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. Wo er jetzt wohl war? Barthel Zwick hatte ihr von seiner Flucht berichtet, aus Mitleid, obwohl es ihm streng verboten war, der Gefangenen Informationen zuzutragen. Seitdem hegte sie die grenzenlose Zuversicht, dass ihr Mann etwas zu ihren Gunsten unternehmen würde. Sie wusste ja, dass er und seine Freunde überlegt hatten, sich nach Wien an den Reichshofrat zu wenden. Dies und der Gedanke an ihr ungeborenes Kind hielten sie aufrecht, auch in den Zeiten, als sie geglaubt hatte, verrückt zu werden vor Angst und Einsamkeit. Wieder kam der Schmerz; sie spannte unwillkürlich alle Muskeln und hielt den Atem an, bis er nachließ. Während sie sich bewegte, um es im Stroh so bequem wie möglich zu haben, spürte sie, wie das Kind gegen ihre Bauchdecke strampelte. Ein kleines Glücksgefühl stieg in ihr auf. Sie konnte es kaum erwarten, das Neugeborene in den Armen zu halten, und ein winziges Lächeln spielte um ihre Lippen. Aber dann verschwand die Freude so schnell, wie sie gekommen war, und die Angst ließ sie wieder zittern: Die Geburt war auch ein Wendepunkt, der ihren eigenen Tod näherrücken ließ. Ihr war klar, dass man ihr nach einer Schonfrist von weiteren sechs oder vielleicht acht Wochen das Kleine wegnehmen würde. Und dann warteten Folter und Feuer auf sie. Ein Schauer lief durch ihren Körper.
Als die erste Wehe kam und sie immer noch allein war, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Niemand würde kommen und ihr helfen. Sie hatte noch bei keiner Geburt zugesehen und wusste nur wenig darüber. Heilige Maria Muttergottes, hilf, flüsterte sie. Lass mich in meiner schweren Stunde nicht allein. Und nimm mein Kind unter deinen Schutz, falls mir etwas zustößt. »Barthel«, rief sie. »Wo bist du?« Aber es kam keine
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