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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Verbesserung herbeigeführt haben, aber dennoch – der Same will einfach den Leib nicht verlassen. Er will ganz offenbar nicht in dieses Weib hinein. Nun frage ich Euch: Warum? Könnte nicht die Ursache darin liegen, dass der Herrgott seine Hand über mich hält, weil er verhindern will, dass ein geweihter Kirchenmann womöglich mit einem Dämon den Zeugungsakt vollendet? Weil er verhindern will, dass der Satan mir auf diese Weise den Samen stiehlt und damit ein Wechselbalg zeugt?«
    Förner dachte nach. »Möglich wäre es.«
    Dornheim ließ sich schwerfällig auf die Fensterbank sinken. »Könntet Ihr wohl einen Exorzismus bei der Susanna durchführen, mein Freund?«

Malefizhaus, März 1628
    In der Zelle stank es zum Gotterbarmen. Sehen konnte man kaum etwas, weil es nur ein winziges vergittertes Fenster ganz oben in der Wand gab, aber riechen dafür umso mehr: Urin, Kot, Eiter, Erbrochenes, säuerlich, faulig und beißend.
    Maria Reuß stand wie gelähmt, während die schwere hölzerne Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Düsternis, dann erkannte sie, dass sie sich in einem kleinen Raum befand, der kaum zwei mal fünf Schritt maß. Die Wände waren glatt gemauert, der Boden bestand aus Steinfliesen, die Decke aus Holz. In der hinteren Hälfte der Zelle war Stroh aufgeschüttet, das man wohl schon wochenlang nicht mehr gewechselt hatte. Zu Marias Füßen standen ein Eimer, ein Krug Wasser und ein Holzbrett mit einem halben Brotlaib. Sie spürte, wie ihre Knie zitterten. Langsam tastete sie sich neben der Tür an der Wand entlang, ließ sich in der Ecke zu Boden gleiten und barg das Gesicht in den Händen.
    Da plötzlich hörte sie ein Geräusch. Ein Rascheln zuerst, danach ein leises, heiseres Ächzen und Schnaufen. Auf allen vieren kroch sie in die Richtung, aus der es kam. Und dann sah sie es: Der Haufen aus Stroh und Lumpen an der hinteren Wand bewegte sich.
    »In Gottes Namen, wer ist da?«, flüsterte die Reußin. »Bist du Mensch oder Teufel?«
    Die Reußin hielt in der Mitte des Raumes inne und wagte sich nicht weiter. Angstvoll kniff sie die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Aus dem Lumpenbündel kam ein Fuß zum Vorschein, dann ein zweiter. Eine menschliche Gestalt formte sich, ganz klein und verkrümmt. Da, wo die Hände waren, erkannte die Reußin nur dunkle Klumpen, ein Bein war mit Wunden wie schwarzen Löchern übersät und bis zum Knie auf die doppelte Dicke angeschwollen. Der bis auf ein paar Haarbüschel kahlgeschorene Kopf hing kraftlos auf die Brust herab.
    »Kein Teufel«, stöhnte das Wesen. »Ach Gott, kein Teufel.«
    Da erkannte die Reußin ihren Vater.

    »Ich hab doch nicht anders gekonnt«, jammerte der alte Pfeifer mit schwacher Stimme, während die Reußin ihm etwas von dem Wasser einflößte und mit dem Zipfel ihres Hemds das Gesicht reinigte. »Ich hab’s ja versucht. Ich schwör’s dir, Maria. Zuerst waren’s bloß die Daumenschrauben, da hab ich noch das Vaterunser gebetet, bis das Blut gekommen ist. Ach, guter Herr Jesus.«
    Maria tastete nach den Händen des Alten. Als sie seine blutverkrusteten, zu Krallen gekrümmten Finger berührte, stöhnte er auf. Sie erinnerte sich, wie flink diese Finger immer über die Flöte getanzt waren, und ihr schossen die Tränen in die Augen.
    »Und dann der Krebs. Die Dornen spreizen sich im Fleisch auseinander, wenn sie ihn dir anlegen.« Der Alte streckte mühsam sein furchtbar misshandeltes Bein vor. »Schau, Maria, das hab ich auch noch ausgehalten. O Herr, hab ich gebetet, steh mir bei, dass ich nicht verzweifeln muss.«
    Die Reußin spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog.
    »Immer wollten sie, dass ich alles zugebe. Welche Lieder ich beim Hexentanz gespielt hätt, ob ich dem Teufel den Hintern geküsst, wer meine Buhle sei, ob ich aus toten Kindern Schmier gesotten … Ich hab nicht mehr vorwärts oder rückwärts gewusst, ob ich Männlein oder Weiblein bin. Und dann der Bock, mit den Ruten, Stunde um Stunde. Maria, ich schwör’s, ich wollt nichts sagen. Eher wollt ich sterben, du musst mir das glauben, bei allen Heiligen.«
    »Was wolltest du nicht sagen, Vater?«
    Er ließ sich zurück ins Stroh fallen. »Am Ende hängen sie dich an den Zug. Der reißt dir die Arme aus den Schultern. Man kann es hören. Und dann binden sie dir noch einen Stein an die Füße. Heilige Jungfrau Maria, hab ich geschrien, hilf! Ich hab immer noch nichts gesagt, Maria, hörst du, immer noch nichts. Und

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