Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Holz und Zinn … «
»Halt, halt«, unterbrach ihn der Kommissar, »das reicht mir schon.«
Aber das Mariele war kaum noch zu bremsen. »Und der Großvater hat mir letzthin ein Lied vorgesungen, das geht so … « Sie holte Luft.
»Lass gut sein, Kind.« Vasold mischte sich ein. »Sag uns lieber, warum bei euch daheim in der Zimmerecke eine tote Kröte hängt.«
»Weil die gegen alles Böse hilft und die Hennen besser legen. Und im Rauchfang, da hängt eine halbe Eierschale, die ist für den Großvater.«
»Na, das musst du mir aber erklären«, meinte Schwarzcontz.
»Der muss nachts oft raus«, erzählte Mariele bereitwillig. »Und wenn er nicht aufwacht, dann geht manchmal was in den Strohsack. Damit er wieder dicht wird, muss er jeden Sonntag nach der Messe in das halbe Ei pinkeln und es in den Schlot hängen. Er sagt, das wirkt gut, wenn man’s von Ostern bis Michaeli gemacht hat.«
Schwarzcontz zog die Augenbrauen hoch und sah seinen Kollegen vielsagend an. Dann zog er neckisch an Marieles Zopf. »Na, dein Großvater kennt sich wohl gut aus mit solch zauberischen Sachen, hm? Er hat uns erzählt, dass seine Großmutter, also deine Ahn, eine Hexe war.«
Mariele nickte heftig. »Ja, das stimmt.«
»Ist denn dein Großvater ein Hexer, sag?«
»Ich weiß nicht.« Die Kleine wurde unsicher.
»Und deine Mama?«
»Nein. Die nicht.«
»Kennst du wohl eine Drud?«
Die Kleine schüttelte den Kopf.
»Gar keine?«
Mariele überlegte. Nachdenklich kaute sie auf ihren Fingernägeln herum. Der Malefizkommissar ging vor ihr in die Knie und musterte sie gespannt. »Na?«
»Nein«, sagte das Mariele. »Ich kenn keine Hexe. Aber die Johanna von der Apotheke, die kann zaubern.«
Schramms Feder machte ein unangenehm lautes, kratzendes Geräusch, und ein Regen aus winzigen Tintenspritzern ergoss sich über das Papier.
»Die hat mir ein Häschen gezaubert, aus einem Tuch, das schläft bei mir im Bett.«
Schwarzcontz erhob sich aus seiner gebückten Stellung und tätschelte der Kleinen die Wange. »Da hast du uns aber ganz fein geholfen, Mariele.«
Am selben Abend noch klopfte es an der Tür der Mohrenapotheke. Es war schon dunkel, und Abdias Wolff ging mit einem Talglicht zum Fenster der Offizin und streckte den Kopf hinaus.
»Wir haben geschlossen, Ihr Herren, außer Ihr braucht was Dringendes«, rief er.
»So kann man wohl sagen«, knurrte einer der beiden Einholer zurück. »Eure Tochter, wenn’s genehm ist.«
Der Apotheker prallte zurück, als ob ihn ein Schlag ins Gesicht getroffen hätte.
»Was ist denn, Vater?« Johanna trat in die Offizin, das Haar schon zum Nachtzopf geflochten. »Jemand krank?«
Abdias war kreidebleich geworden. Er machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Wieder klopfte es an die Tür, diesmal heftiger, und nachdem ihr Vater keine Anstalten machte, ging Johanna hin und öffnete.
Beim Anblick der Stadtknechte wurden ihr die Knie so weich, dass die beiden zugreifen und sie aufrecht halten mussten.
»Jungfer Wolff, Ihr seid besagt worden. Wir müssen Euch ins Malefizhaus bringen.« Der Büttel hielt schon das Seil bereit und schlang es nun um Johannas Handgelenke. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen, so übel war ihr mit einem Schlag.
»Das kann nicht sein«, flüsterte sie tonlos, »kann nicht sein. Warum ich?«
»Besser, Ihr kommt freiwillig mit«, meinte der Büttel und zog am Seil.
In Johannas Kopf war alles leer. Sie sah ihren Vater, der fassungslos unter der Tür stand, sah Toni, der sich an ihn drängte, die Augen ungläubig aufgerissen. Das war ein Traum. Ganz sicher. Es konnte nicht die Wirklichkeit sein. Jeden Augenblick würde sie erwachen, und dann würde alles in bester Ordnung sein. Im Nachbarhaus öffnete sich ein Fenster, und eine der Mägde beugte sich heraus. »Nur schnell ins Feuer mit denen!«, schrie sie. »Höllenpack, vermaledeites!« Die Worte drangen wie von ganz fern an Johannas Ohren. Sie taumelte. Heilige Maria Muttergottes, das war kein Traum! Sie wurde verhaftet! O Gott, dachte sie, o Gott, lass das nicht zu! Mechanisch, willenlos setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie an der Ecke zur Langen Gasse waren. Dann drehte sie sich um, und ihr Schrei zerriss die Stille des Abends: »Vater!«
Malefizhaus, am nächsten Tag
Einen guten Morgen, Pater Kircher. Haben wir denselben Weg?« Cornelius holte mit ein paar schnellen Schritten den Jesuiten ein und reichte ihm die Hand. Der schlug kräftig ein, und seine düstere Miene hellte
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