Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
sich auf.
»Wenn Ihr auch zum Drudenhaus müsst?«
Der junge Arzt nickte. »Nach Hexenmalen suchen.« Er seufzte. »Ich kann nicht behaupten, dass mir diese Aufgabe Vergnügen bereitet, aber wenn ich’s nicht tue, dann holen sie meinen Kollegen Eberlein, und der würde schon eine Teufelszitze finden, ohne überhaupt hingesehen zu haben.«
»Ein Drudenhasser, ja.« Kircher rümpfte verächtlich die Nase. »Er behandelt die Delinquenten nach der Folter. Richtet sie wieder einigermaßen her und renkt ihnen die Glieder ein, damit man sie wieder und wieder torquieren kann. Bringt eine Menge Gulden, möcht ich wetten.«
»Ein blutiges Geschäft.« Mit einem kleinen Sprung wich Cornelius einem barfüßigen, schmutzigen Jungen aus, der mit erhobener Peitsche seinen bunten Kreisel vor sich her trieb. »Ich bin froh, dass man mich nicht dafür ausersehen hat.«
Die beiden Männer gingen nebeneinander durch die Lange Gasse. Verrammelte Fenster und vernagelte Türen zeugten davon, dass hier mittlerweile etliche Anwesen leer standen. Wer mochte schon das verlassene Haus einer Drude kaufen? Die fürstbischöfliche Kammer saß auf den Gebäuden fest und brachte sie nicht los. Es war ein trostloser Anblick.
Nach einer Weile hatten die beiden das Malefizhaus erreicht, einen imposanten zweistöckigen Bau mit massiven Steinmauern und breitem Satteldach, vielleicht zwanzig auf dreißig Schritt im Grundriss. Über dem Eingangsportal waren zwei Tafeln eingemauert, auf die man in lateinischer und deutscher Sprache einen Bibelspruch gemeißelt hatte:
»Das Haus wirdt ein Exempel werden, / das alle die furübergehen werden sich Entsetzen und Blaßen und Pfeiffen und sagen: / Warumb hat der Herr disem Landt, disem Hauß also gethan?, / so wirdt man andwortten: Darumb das sie den Herren ihren Gott verlassen haben, / und haben angenommen andere Götter und sie Angebettet und ihnen gedienet. / Darumb hat der Herr all diß übel über sie gebracht.«
Nachdem ihnen einer der Malefizknechte aufgesperrt hatte, betraten Cornelius und Kircher den langen Flur im Erdgeschoss. Gleich rechts, gegenüber dem Treppenaufgang, lag die Wächterstube, groß genug für einen Tisch mit Bänken, einen einfachen Schrank und einen Kamin zum Heizen. Danach kamen zu beiden Seiten des Gangs je vier Gefängniszellen, ein Nebengemach für Stroh, Holz, Lichter und ähnliche Vorräte, und am Schluss zwei geräumige Verhörstuben. Die Tortur fand nicht im Gefängnisbau selber statt. Hierfür nutzte man ein älteres Fachwerkgebäude, das hinter dem Drudenhaus stand. Es hatte den Vorteil, dass ein kleiner Bachlauf direkt hindurch führte, der zur Reinigung der Folterkammer gute Dienste leisten konnte. Ins Folterhäuslein gelangte man über eine Hintertür neben der Kapelle und durch einen abgeschlossenen Hof.
Auf dem Flur trennten sich Kircher und der junge Arzt. Der Jesuit nahm die Treppe in den ersten Stock, wo die Beichtkammer lag. Cornelius folgte dem Malefizknecht in die linke hintere Verhörstube, vor der schon der alte Schmeltzing wartete. Sein Geschreibsel konnte kaum noch jemand lesen, aber trotz seiner knotigen Gichtfinger musste er immer wieder herhalten, wenn der inzwischen zum Malefizschreiber ernannte Hans Schramm nicht mehr nachkam.
An diesem Morgen war Vasold im Dienst. Er hatte es sich bereits auf einem Stuhl in der Stube bequem gemacht, neben ihm standen auf einem Wandsims ein Krug mit Most und zwei zinnene Becher. Wie immer konnte man, wenn man ihm nahe kam, den Branntwein riechen. Er war den Alkohol so sehr gewohnt, dass man ihm nichts anmerkte; nur abends im Wirtshaus wurde sein Zustand oft bedenklich. Cornelius verabscheute ihn genauso wie seine beiden Kollegen.
Der junge Arzt legte Mantel und Mütze ab, während der Schreiber sich an seinem Tischchen einrichtete.
»Drei Untersuchungen heute«, sagte Vasold in gelangweiltem Tonfall. »Zwei Frauen, ein Mann, gestern und vorgestern hereingekommen. Bis spätestens Mittag sind wir fertig.« Er gab dem Malefizknecht Anweisung, dass es losgehen konnte.
Cornelius ging ans Fenster und öffnete es, um frische Luft hereinzulassen. Er beobachtete zwei Mägde, die mit irdenen Krügen in der Hand zum Wasserholen unterwegs waren, in einen fröhlichen Schwatz vertieft. Die Jüngere von ihnen löste die Kette des Zugbrunnens, der neben dem Malefizhaus stand, und ließ den Eimer hinunter. Die Ältere lachte derweil über eine junge Katze, die mit der Pfote immer wieder nach einem großen
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