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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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weiteres Wort ging Colivar zu den Pferden zurück. Sula versuchte noch weitere Fragen zu stellen, aber sie blieben unbeantwortet; der ältere Magister war zu tief in seinen finsteren Gedanken versunken, um noch länger die Rolle des Lehrers zu spielen.
    Nur eines sagte er noch, als er sein Pferd bestieg und einen letzten Blick auf das Nistgelände warf, und sein Ton ließ Sulas Blut zu Eis erstarren.
    Denn Colivar flüsterte: »Mögen die Götter uns allen gnädig sein …«

Die Abrechnung

Kapitel 29
    Es war eine mondlose Nacht, und über dem Garten der Großkönigin hing tief der Nebel. Die Ahnenbäume ragten wie gespenstische Schatten in den flackernden Schein einer halb abgeschirmten Laterne, die auf einer der Marmorbänke stand, und Gwynofars Speere glänzten in der feuchten Nachtluft, als wären sie feucht. Sie fühlte sich an die echten Speere zu Hause erinnert, wenn sich der Morgentau auf dem kalten Stein niederschlug; der Anblick weckte das Heimweh und machte ihr das Herz schwer.
    Neuerdings verbrachte sie immer mehr Zeit in diesem Garten. Es gab außer ihren eigenen Gemächern im ganzen Schloss keinen Ort, wo sie vor Kostas sicher gewesen wäre, und sie lehnte es ab, sich von ihm zur Gefangenen machen zu lassen. Früher hätte sie sich zu ihrem Gatten flüchten und sich mit seiner offenkundigen Zuneigung trösten können, aber auch das hatte sich geändert. Inzwischen musste sie bei jeder Begegnung mit Danton daran denken, was er ihr angetan hatte. Die Erinnerung war schmerzlich und machte es ihr schwer, ihm zu verzeihen.
    Mit einem Seufzer opferte sie den Speeren. Während sie auf jede der glänzenden Oberflächen einen Tropfen ihres Blutes fallen ließ, betete sie zu den Göttern des Heiligen Zorns um ein wenig Frieden für ihre Seele. Es waren Götter des Krieges, die für solche Freundschaftsdienste gewöhnlich nicht zuständig waren, aber sie wusste nicht, an wen sie sich sonst wenden sollte. Ihre Familie war weit, sie lebte schon so lange fern von den Nordlanden, dass die Erinnerung daran allmählich verblasste, und der einzige Mensch an Dantons Hof, an dem sie wirklich Freude gehabt hatte, war in den Freitod gegangen.
    Plötzlich raschelte es hinter ihr. Ihr blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Als sie sich umdrehte, fürchtete sie, sich Kostas oder vielleicht ihrem Gemahl gegenüberzusehen, doch es war keiner von beiden, obwohl die Gestalt in den unruhigen Schatten dem Großkönig durchaus ähnlich sah.
    »Mutter.« Der Besucher war Rurick, ihr Erstgeborener. »Ich störe dich doch nicht beim Gebet?«
    »Du störst mich nie.« Sie reichte ihm zum Gruß die Hand, und er drückte unbeholfen einen Kuss darauf. »Aber ich dachte, du bist nicht gern in diesem Garten.«
    Rurick zuckte die Achseln. Im Dunkeln war er seinem Vater von der breiten Stirn und den schmalen schwarzen Augen bis zur Habichtsnase wie aus dem Gesicht geschnitten. Er war nicht so stämmig wie Danton – noch nicht –, aber auch er hatte den kräftigen Körperbau, der den Großkönig so massiv und unnachgiebig wirken ließ. Manchmal konnte sie kaum glauben, dass ein Mensch, der ihr so unähnlich war, aus ihrem Schoß gekommen sein sollte, aber es waren eben Dantons Söhne. Bis auf Andovan.
    Beim Gedanken an seinen Tod schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und wischte sich dabei unauffällig über die Augenwinkel, bevor sich das Wasser dort sammeln konnte. Selbst vor ihren Söhnen wollte sie nicht schwach erscheinen.
    »Er ist nicht gerade mein Lieblingsort«, gab Rurick zu, »aber andere scheuen diesen Garten noch viel mehr. Damit erfüllt er durchaus einen guten Zweck. Sind wir hier unter uns?«
    »Die Diener betreten den Garten nicht, weil ich es ihnen verboten habe. Dein Vater bleibt ihm aus freien Stücken fern.«
    »Und Kostas wagt sich nicht hierher, soviel ich höre.«
    Sie unterdrückte die Worte, die ihr auf der Zunge lagen. »Nein«, sagte sie ruhig. »Kostas kommt nicht hierher.«
    Er nickte. »Das ist gut.«
    Rurick war eine imposante Erscheinung in seiner kostbaren knielangen Robe aus schwerem Samt, in den mit Goldfaden der doppelköpfige Habicht, das Wappen des Hauses Aurelius, eingewirkt war. Der Stoff war für die Jahreszeit zu schwer, aber das hatte Rurick noch nie gestört. In schönen Kleidern umherzustolzieren und von allen, die ihn sahen, gefürchtet und bewundert zu werden, bedeutete ihm viel. Darin unterschied er sich von seinem Vater, dem nur an der Furcht

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