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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Andovan diesen seltsamen Geruch wahrnähme, wenn er noch lebte? Ob ihm jedes Mal, wenn Dantons elender Magister vorüberging, die Haut jucken würde, wie es bei Gwynofar der Fall war?
    Ihr ganzes Geschlecht witterte die Verderbnis. Und niemand sonst.
    Im Garten schien es mit einem Mal sehr kalt geworden zu sein.
    »Mutter?«
    Es hatte etwas zu bedeuten, so viel war klar. Aber sie war plötzlich nicht mehr sicher, ob sie wissen wollte, was es war.
    Ruricks Hand auf ihrer Schulter riss sie aus ihren Gedanken. »Alles in Ordnung?«
    »Ja«, flüsterte sie. »Nur …« Sie sah zu ihm auf. »Ich rieche es auch. Schlimmer noch. Ich spüre seine Nähe wie einen eisigen Wind, der über meinen Körper streicht.« Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. »Ich dachte, es wäre ein Wahn. Ausgelöst durch den Hass, den ich für ihn empfinde. Aber wenn es allen meinen Kindern ebenso ergeht … dann muss doch mehr dahinterstecken.«
    Rhys könnte es mir sagen, dachte sie. Rhys kannte all die alten Sagen und Mythen; er würde die sonderbaren Vorfälle zu deuten wissen.
    Ihr Götter, sie wünschte sich so sehr, er wäre jetzt hier.
    »Mutter.« Ruricks Finger gruben sich in ihre Schulter. »Du musst mit ihm sprechen.«
    »Mit wem?«
    »Mit Vater.«
    Sie zog hörbar den Atem ein und wandte sich ab.
    »Du bist die Einzige, die etwas ausrichten kann. Die Einzige, auf die er hört.«
    »Er hört nicht mehr auf mich.«
    »Er vertraut dir, Mutter. Dir allein.«
    Unversehens brach die Erinnerung über sie herein. Dantons Vorwürfe, die Vergewaltigung, Kostas’ verderbte Magie, die an ihm haftete. Wer außer mir war an meiner Nachkommenschaft beteiligt? , hatte er geschrien.
    Sie wandte sich ab. Ihr Sohn sollte ihre Tränen nicht sehen. »Es hat sich vieles geändert«, flüsterte sie.
    »Aber doch nicht so viel.«
    Sie schwieg.
    Er stand auf, kniete vor ihr nieder und wartete, bis sie ihn ansah. Dann sagte er: »Ich weiß nicht, was zwischen dir und meinem Vater vorgefallen ist. Und es steht mir auch nicht zu, danach zu fragen. Ich weiß nur, als ich noch klein war, sagtest du einmal, du wärst zuerst Königin und danach Frau. Wenn man eine Krone trüge, müsse alles andere hinter den königlichen Pflichten zurückstehen. Damals glaubte ich an dich.« Er hielt inne. »Und das tue ich noch immer.«
    Sie traute ihrer Stimme nicht.
    Er stand wieder auf, beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Wange, dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Wenn du ihn aufgibst, Gwynofar Keirdwyn Aurelius, dann ist er wirklich verloren.«
    Sie starrte in die Nacht hinein, um ihm nicht noch einmal in die Augen sehen zu müssen. »Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach sie. Doch sie hörte selbst, wie kraftlos und wenig überzeugend es klang.
    Und auf den nebelfeuchten Speeren saßen die nordischen Götter und schauten schweigend herab.
    Langsam dämmerte der Morgen über dem Schloss, erfasste Türmchen um Türmchen und zog den Tau aus den Ritzen und Spalten der uralten Mauern. Es war ein friedlicher, stiller Morgen, und er hatte nur wenige Zeugen. Ein Gardist zog ruhigen Schrittes am Fuß der Mauern seine Runden. Einige Vögel raschelten in ihren Nestern. Oben auf dem Dach stand eine einzelne Gestalt in einem vielfach zerrissenen Gewand aus schwarzer Seide und wartete auf den Sonnenaufgang.
    Gwynofars Wangen waren trocken, doch die salzigen Streifen auf ihrer Haut kündeten von einer langen, durchweinten Nacht. In einer Hand hielt sie einen kleinen, fest zusammengerollten Zettel, in der anderen eine wohlgenährte Brieftaube aus dem königlichen Taubenschlag. Die Taube hatte weiße Streifen auf den Flügeln, wie es bei den Rassen des Nordens üblich war, und Gwynofar spürte an ihrem raschen Herzschlag, wie sehr sie sich danach sehnte, dieses heiße, schreckliche Land zu verlassen und in ihre Heimat unter dem kühlen, klaren Himmel der nördlichen Protektorate zurückzukehren.
    Ich wollte, ich könnte mit dir auf die Reise gehen , dachte sie traurig.
    An einem Bein der Taube war ein Lederröhrchen befestigt. Gwynofar schob den Brief hinein und verschloss das Behältnis mit Sorgfalt. Es wäre fatal, wenn ihre Nachricht unterwegs verloren ginge.
    Dann warf sie den Vogel in das rosige Licht des Morgens und sah ihm nach, wie er nach Norden strebte.
    Rhys , lautete die Nachricht, ich brauche deinen Rat. G.
    Er würde verstehen, was das bedeutete. Und wenn er könnte, würde er kommen.
    Sie blieb auf dem Dach, bis der Vogel verschwunden und die Sonne

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