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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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zu jung, um sie verkraften zu können.
    » Lass sie los. «
    Die Worte kamen von hinten und rissen Kamala aus ihrer gläsernen Starre. Sie drehte sich um und sah gerade noch, wie sich der Sprecher näherte. Es war ein junger Mann, der aussah wie ein Waldläufer. Seine Kleidung war einfach geschnitten, aber aus gutem Stoff, wie ihn sich nur die Reichen leisten konnten. Er hatte blondes Haar und helle Haut und sah ziemlich gut aus. Doch als er jetzt die Szene betrachtete, waren seine scharfen blauen Augen so kalt wie Eis. Alle standen wie erstarrt und sahen ihn an, Kaufleute, Söldnerführer, Huren und Kellnerinnen und in der Mitte das kleine Mädchen, dem jetzt alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
    »Lass sie los«, wiederholte der Fremde.
    Der Mann, der nach dem Mädchen gegriffen hatte, hielt inne, zog die Hand aber nicht zurück. »Das geht dich nichts an.«
    »Jetzt schon. Lass sie los.«
    Der Mann drehte die Handflächen nach oben, spreizte die Finger und grinste. »Niemand hat ihr Fesseln angelegt. Niemand hat sie gezwungen, überhaupt zu uns zu kommen.« Er sah das Mädchen an. »Du bist aus freien Stücken hier, nicht wahr?«
    Kamala hielt den Atem an. Sie erinnerte sich, dass man in diesem Alter manche Dinge nur bewältigen konnte, wenn man sie vor sich selbst verleugnete. Mit der Forderung, dass das Mädchen seine Lage in Worte fasste und ihm damit erlaubte, sie als Hure zu gebrauchen, riss der Mann alle Mauern ein, mit denen es sich schützen konnte.
    Als die Kleine zu zittern begann, ging das über Kamalas Kräfte, so abgebrüht sie auch sonst sein mochte. Aber wieder war der blonde Fremde schneller und trat vor sie hin, sodass er ihr den Blick auf die Gruppe verstellte. Sie hielt den Atem an. Er drängte sich zwischen die geschminkten Huren, ergriff den Arm des Kindes und zog es zu sich. Zwei Männer sprangen wütend auf, und der eine, der das Mädchen befummelt hatte, fluchte laut. Aber der Fremde ließ sich nicht beirren. Seine Augen brannten vor Zorn, und letztlich hatte niemand aus diesem Haufen von Weichlingen den Mut, sich ihm zu stellen.
    Kamala ließ langsam den Atem ausströmen, als er mit dem Kind an der Hand an ihr vorbeiging. Während alle Blicke auf ihm ruhten, zog sie selbst die Schatten des Raumes um sich, um ihm unbemerkt folgen zu können. Außerdem beschwor sie eine Aura der Bedrohung, verdichtete sie und ließ sie wie eine Wolke vor der Tür schweben, um die Männer im Wirtshaus daran zu hindern, es ihr gleichzutun. Zwei einfache Zauber, die nicht viel Aufwand erforderten, aber manchmal brauchte man nicht mehr.
    Als sie das Wirtshaus verließ, war der Fremde bereits ein Stück entfernt und hatte soeben den Arm des Mädchens losgelassen. Es wirkte jetzt eher empört als verängstigt und starrte ihn aus hohlen Augen zornig an.
    »Geh nach Hause«, sagte er. »Du hast an diesem Ort nichts verloren.«
    Die Kleine rührte sich nicht von der Stelle. Ihre Augen standen voller Tränen. »Sie hätten für mich bezahlt«, protestierte sie in einem so verzweifelten Ton, dass es Kamala wie ein Messer in die Eingeweide fuhr. Dem Fremden schien es ähnlich zu ergehen. Er schloss kurz die Augen und biss die Zähne zusammen, um die Fassung zu bewahren. »Du willst bezahlt werden?«, fragte er. »Nur darum geht es? Um die Bezahlung? Hier.« Er kramte nach seiner Börse. »Hier. Dann bezahle ich eben für dich. Ist das genug?« Er schüttete ein Häufchen Münzen heraus und reichte sie ihr mit zitternder Hand. »Nimm nur«, drängte er, und als das Mädchen noch immer keine Anstalten machte, schrie er es an: »Nimm alles!«
    Er warf das Geld auf die Straße. Das Mädchen starrte ihn noch einen Moment länger an, dann rannte es zu den Münzen, ließ sich auf Hände und Knie nieder und sammelte sie auf. Er konnte es nicht mit ansehen und wandte sich ab. Kamala bemerkte, dass er ein wenig schwankte und sich an einem Baum abstützte. Er war also bei Weitem nicht so stark, wie er sich gab. Bemerkenswert. Er hatte im Schankraum sehr überzeugend Theater gespielt. So wie er jetzt vor Kamala stand, hätte er sich niemals gegen so viele Gegner behaupten können.
    Ein deutlicher Beweis für den Mut, mit dem er den anderen entgegengetreten war , dachte sie. Oder für seinen Wahnsinn.
    Sie wartete, bis das Kind seine Beute eingesammelt hatte und zur Straße nach Bandoa zurückgelaufen war, dann trat sie leise aus den Schatten. Sie wollte den Fremden nicht ansprechen, bevor er sie bemerkt hatte, aber sie musste

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