Die Seelenkriegerin - 3
flimmerte über seine Haut. Wollte er sich selbst heilen? Oder wehrte er sich gegen Reste von Sidereas Bann, die sie nicht hatten aufheben können? Auf den wenigen noch unversehrten Hautstellen bildeten sich Schweißperlen, immer wieder wurde er von Schauern geschüttelt, während seine Seele mit unsichtbaren Feinden rang.
Endlich verkündete Ramirus: »Es ist vollbracht.«
Vielleicht war es diese Erklärung, die Colivar beruhigte, vielleicht auch eine weniger öffentliche Erkenntnis. Jedenfalls hörte das Zittern endlich auf, und der verletzte Magister lag still auf dem Boden und atmete kaum. Nun setzte langsam die Heilung ein. Die verkohlte Haut rollte sich an den Rändern ein und nahm wieder die Farbe von lebendem Gewebe an. Die tiefen Rillen in den Muskeln füllten sich erst mit Blut, dann mit schwammig-feuchten Fasern und schließlich mit festem Fleisch. Die leere Augenhöhle warf die schwarz verkohlten Reste ab, und unter der Asche wurde ein neues Lid sichtbar. Das öffnete sich wiederum über einem Auge, das von blutigen Adern durchzogen, aber eindeutig gebrauchsfähig war.
Nach Abschluss des Heilungsprozesses lag Colivar reglos auf dem Sandstein, zu erschöpft, um sich zu orientieren. Ramirus und Kamala warteten schweigend. Endlich richteten sich die blutunterlaufenen Augen zuerst auf Ramirus, dann auf seine Begleiterin und schließlich abermals auf Ramirus.
»Warum?«, krächzte er.
»Weil du gebraucht wirst«, antwortete Ramirus.
Colivar schloss die Augen. Die letzten Krusten zerfielen zu Staub und wurden von einem starken Wind fortgetragen. »Was in allen Höllen ist geschehen?«, flüsterte er.
»Du bist in eine Falle gelaufen. Eine Falle, die allem Anschein nach allein für dich bestimmt war.« Er hielt inne. »Du hast deine Feinde wohl unterschätzt.«
Colivar stützte sich auf einen Ellbogen und sah sich auf dem Tafelberg um. Dann kam er langsam auf die Beine. Kamala sah, wie sehr er sich bemühte, vor seinem alten Rivalen keine Schwäche zu zeigen, aber es war ein aussichtsloser Kampf; seine Beine trugen ihn zwar, doch das Zittern konnte er nicht unterdrücken.
»Sula hat mich verraten«, stieß er heiser hervor. »Vielleicht nicht absichtlich. Vielleicht war er lediglich dumm. Siderea versteht es glänzend, Dummköpfe zu manipulieren. Jedenfalls hat sie ihn wie eine Marionette geführt.«
»Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass du verschwunden warst.«
»Das könnte ein Teil des Spiels gewesen sein.« Er hielt inne. »Was ist mit Lazaroth?«
»Tot. Wahrscheinlich.«
»Wir hoffen es jedenfalls«, schränkte Kamala ein.
Colivar sah sie an. In seinen schwarzen Augen flackerte es belustigt. Hast du jetzt noch einen Magister auf dem Gewissen, meine Liebe? Doch bevor er etwas sagen konnte, entdeckte Kamala in der Ferne etwas, das die Staubwolke umkreiste, wo einst Tefilat gewesen war. Sie zuckte zusammen.
»Mir scheint, du sollst abgeholt werden«, sagte sie zu Colivar.
Die beiden Männer drehten sich um. Als Colivar sah, worauf sie deutete, kam ein tiefes Knurren aus seiner Kehle. Man hätte nicht erwartet, einen solchen Laut von einem Menschen zu hören, aber er war dieser Situation durchaus angemessen.
Über der Stadt schwebte ein Seelenfresser, der nun in ihre Richtung abschwenkte. Seine Flügel leuchteten im Sonnenlicht, die Edelsteinfarben schillerten in tödlicher Schönheit vor dem roten Sand. Selbst aus dieser Entfernung spürten alle drei, wie die hypnotische Kraft des Wesens über sie hinschwappte, und in Kamala stieg der gleiche ekelerregende Wunsch auf wie damals in Dantons Palast, der Wunsch, sich dieser Kreatur zu unterwerfen und sich von ihr aussaugen zu lassen.
Dann flog das Ungeheuer eine Wendung und steuerte genau auf sie zu.
»Wenn er uns sieht …«, begann Colivar.
»Er wird uns nicht sehen«, versicherte ihm Kamala.
Wie leicht es ihr inzwischen fiel, sich und die beiden anderen in die Macht einer Seelenfresser-Königin zu hüllen! Eine Hexe mochte die Tarnung durchschauen, wenn sie sich sehr bemühte, oder auch Siderea selbst, aber kein männlicher Seelenfresser wäre dazu imstande. Und auch kein Mann, der mit einem Seelenfresser verbunden war.
Tatsächlich blieben sie für diesen Seelenfresser unsichtbar. Er umkreiste ihren Tafelberg zwei Mal, ohne ihnen zu nahe zu kommen. Kamala beobachtete, dass ihn Colivar nicht aus den Augen ließ, während Ramirus … Ramirus’ Blick an Colivar hing. Schmale Lippen, zusammengekniffene Augen, ein eisig blauer Blick,
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