Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenkriegerin - 3

Die Seelenkriegerin - 3

Titel: Die Seelenkriegerin - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
schwer, die großen Schwingen zu bewegen; die Flügelschläge sollten fließend sein und keine Schmerzen bereiten, doch sie sind eine Qual. Die unteren Schwingen erzeugen mit hektischem Flattern rotierende Luftwirbel, die ihn tragen. Die oberen Schwingen strecken sich in den eisigen Himmel und haben Mühe, den Flug stabil zu halten. Der Duft der Königin umgibt ihn, hüllt ihn ein, treibt ihn zur Raserei. Ihr Schrei lässt die Luft erzittern und bringt sein Blut in Wallung. Wie soll man da vernünftig denken? In seinen Adern tobt ein Hunger, wie er ihn so heftig noch nie gespürt hat, und wenn er diesen Hunger nicht stillen kann, dann muss er sterben …
    Der Strom der Erinnerungen riss so jäh ab, dass Kamala die Luft wegblieb. Ihr Bewusstsein konnte sich nicht gleich auf den Realitätswechsel einstellen, und sie taumelte. Starke Hände packten sie an den Armen und hielten sie aufrecht. Sie zitterte, überwältigt von dem Gefühl, wieder ein Mensch zu sein. Es kam ihr bereits fremd vor.
    Erschüttert schaute sie Colivar in die Augen. So dunkel, so gehetzt! So viel Schmerz in ihren Tiefen. Und Begehren. So viel Begehren. Der Wahnsinn des Ikata war von ihm gewichen, aber sie spürte den menschlichen Hunger, der an seine Stelle getreten war. Eine ganze Weile starrten sie einander nur an, spürten ohne Worte, wie nahe sie sich waren, und waren doch nicht willens, wieder auf Abstand zu gehen.
    »Auf die Schmerzen war ich nicht gefasst«, flüsterte sie.
    »Sie brauchen die Sonne auf ihren Schwingen. Wir haben sie in ein Land gesperrt, wo es zu wenig Sonne gab. Diejenigen, die dort geboren wurden, kennen nichts anderes.«
    Der Mond ging auf. Er spiegelte sich in seinen Augen.
    »Hast du nun, was du brauchst?«, fragte er. Denn ich kann nicht noch einmal dorthin zurück , fügte seine Miene unmissverständlich hinzu.
    Sie nickte. In Wahrheit war es weniger, als sie sich erhofft hatte. Aber es würde genügen müssen. Sie würde damit auskommen. Sie würde die Erinnerung im Geiste immer und immer wieder abspielen, bis sie den Körper des Ikata so gut kannte wie ihren eigenen. Bis ihr die Flugbewegungen so vertraut wären wie das Atmen – und ihr der Duft und der Schrei einer fliegenden Königin zur zweiten Natur würden.
    »Ja«, flüsterte sie. Streckte die Hand aus und strich eine pechschwarze Locke zurück, die ihm in die Stirn gefallen war. Seine Wange war warm, und sie glaubte ein leises Zittern zu spüren, als ihre Finger sie streiften. Dieser Hunger. So eisern unterdrückt. Wie mochte es ihm wohl in den ersten Tagen der Verbannung ergangen sein, als ihn nur noch ein schwaches Echo an sein Menschsein erinnerte? Wie bewahrte sich ein Mensch den Verstand, wenn seine Seele und sein Körper nicht mehr im Einklang waren?
    Wir sind die Früchte deines Wahnsinns , dachte sie.
    Er reagierte nicht gleich. Dann fasste er nach ihrer Hand und schob sie weg. Sein Herz schlug so hart, dass sie das Pulsieren in seiner Handfläche spürte, doch in seinen Augen stand nichts als Traurigkeit. Er ließ die Hand an ihre Seite sinken, gab sie frei und wich dann ein klein wenig zurück, um ihr nicht mehr so nahe zu sein. Ein einziger Zoll. Tausend Meilen.
    »Warum?«, fragte sie.
    Wie ein Schatten huschte der Schmerz durch seine Augen.
    »Weil ich nicht sicher bin, welcher Teil von mir dich begehrt«, sagte er. »Oder wieso.«
    Bevor sie darauf antworten konnte, verwandelte er sich. Schwarze Schwingen flatterten vor ihr in der Luft – eine einzelne Feder streifte ihre Wange, dann stieg er auf – und war fort.
    Sie sah ihm nach, als er über die Ebene flog. Seine Schwingen hoben und senkten sich in gleichmäßigem Rhythmus, die Strömungen des Abendwinds trugen ihn davon, bis er nicht mehr zu sehen war.

Kapitel 32
    Sina fand Meister Favias und den Großkönig in einem kleinen Zelt am Rand von Salvators Feldlager, wo sie Kriegsrat hielten. Bevor sie eintrat, blieb sie kurz stehen, schloss die Augen und bemühte sich, ihr flatterndes Herz unter Kontrolle zu bringen. Erst als sie sich ruhig genug fühlte, um das zu tun, wozu sie gekommen war, ging sie weiter und begrüßte die Wachen vor dem Zelt.
    Niemand brachte einem König gern schlechte Nachrichten.
    Von Süden war zu hören, wie Farahs Lager abgebaut wurde. Die Anchasaner arbeiteten schnell, bei ihnen saß jeder Handgriff. Bald würden sie alle fort sein und nichts zurücklassen als zertrampelte Grasbüschel und eine Reihe von Erdhügeln, wo die Latrinen gewesen waren. Salvators

Weitere Kostenlose Bücher